Drei Tore und Rot: Verrückte zehn Minuten ebnen Offenbach den Weg

Kickers Offenbach feierte am Dienstagabend einen ungefährdeten Erfolg gegen den FC-Astoria Walldorf und ist damit vorerst alle Abstiegssorgen los.

Vorentscheidung: Dimitrij Nazarov verwandelt einen fragwürdigen Elfmeter zum 2:0 für Offenbach.

Vorentscheidung: Dimitrij Nazarov verwandelt einen fragwürdigen Elfmeter zum 2:0 für Offenbach.

IMAGO/Hartenfelser

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Kickers Offenbach ließ die Abstiegsränge am Dienstagabend durch ein Schützenfest gegen den FC-Astoria Walldorf endgültig hinter sich. Der OFC übernahm vor heimischem Publikum schon früh die Kontrolle über die Partie und hatte durch Garcia, der eine Staude-Hereingabe knapp verpasste, nach 10 Minuten die Gelegenheit zur Führung. Auf der anderen Seite hatten Arcalean (15.) und Marino (28.) gute Versuche. Zwischendurch verhindert von der Felsen den Einschlag noch gegen Urbich, der den Ball nach einem Abpraller aufs Tor köpfte (22.). Nach einer halben Stunde tauchte Garcia vor von der Felsen auf, der auch die beste OFC-Chance bis dato zu Nichte macht.

Ab da an wurde es für den FCA jedoch ein Abend zum Vergessen. Erst traf Staude mit einem Volleyschuss zum 1:0 (36.). Dann zeigte Schiedsrichter Hasmann nach einem Pressschlag zwischen Wachs und von der Felsen zur Verwunderung aller auf den Punkt. Den Strafstoß verwandelte Nazarov sicher (38.). Und zu allem Überfluss sah Hauk nach einer Notbremse an Ulbricht auch noch die rote Karte (43.), ehe Knothe eine Flanke noch zum 3:0-Pausenstand einköpfte.

Mit dem 3:0 im Rücken hatte der OFC im zweiten Durchgang freilich keine Probleme mehr. Alvarez erhöhte von der Strafraumkante in der 56. Minute auf 4:0. Für das 5:0 zeichnet Wanner verantwortlich, der in den Strafraum zog, kurz verzögerte und im richtigen Moment den Abschluss suchte (67.). Bis zum Schlusspfiff hätten die Gastgeber gut und gerne noch das eine oder andere Tor nachlegen können. Es sollte aber beim 5:0 bleiben.

27. Spieltag

Müller: “Höttges kam mit roten Schuhen. Das fand ich arrogant!”

Die bunten Treter seines Gegenspielers spornen ihn 1977 zu seinem Sechs-Tore-Rekord an. Am Ostermontag wird Dieter Müller 70 Jahre alt.

Dieter Müller steht für Tore. Sein Sechserpack für Köln gegen Bremen ist in der Bundesliga bis heute unerreicht, mit insgesamt 177 Treffern belegt er in der Ewigen Torschützenliste Platz 9. Seine 48 Tore im DFB-Pokal übertrifft nur ein anderer Müller, der mit Vornamen Gerd heißt und in diesem Wettbewerb 78-mal traf. Jenseits der Erfolge und Rekorde prägen schwere Schicksalsschläge Dieter Müllers Weg, 2012 war er dem Tod nach einem schweren Herzinfarkt sehr nahe. Vor seinem 70. Geburtstag am 1. April spricht der gebürtige Offenbacher über seine Laufbahn und sein Leben.

Zwei Kölner Fußball-Legenden feiern in diesem Jahr fast zeitgleich ihren 70. Geburtstag. Bei Toni Schumacher war es am 6. März so weit, am 1. April sind Sie dran, Herr Müller. Wie ist der Kontakt der ehemaligen Kölner Meisterspieler? Haben Sie Toni gratuliert?

Ja, natürlich. Toni wird auch zu meiner Geburtstagsfeier kommen. Wir haben gemeinsam großartige Erfolge mit dem 1. FC Köln gefeiert, und das verbindet für immer. Toni hatte immer sein Herz am rechten Fleck. Schon zu unserer aktiven Zeit hat er nie ein Blatt vor den Mund genommen und im Spiel schon mal aus seinem Kasten gebrüllt: Müller, du fauler Sack, beweg’ dich (schmunzelt)! Ich habe ihm dann immer gesagt: Mach doch mal langsam, Toni.

Sie erzielten in 326 Bundesliga-, DFB-Pokal- und Europapokalspielen insgesamt 231 Tore. 1976 wurden Sie EM-Torschützenkönig, 1977 und 1978 Torschützenkönig der Bundesliga. Doch Sie werden vor allem mit einem Rekord in Verbindung gebracht. Sechs Tore in einem Bundesligaspiel, das haben nicht einmal Gerd Müller und Robert Lewandowski geschafft.

Ja, es war eine Sternstunde. Mir war damals nicht bewusst, was ich damit geschafft habe. Ich hätte nie gedacht, dass der Rekord so lange besteht, jetzt schon bald 47 Jahre.

Welche Erinnerungen haben Sie an das 7:2 des 1. FC Köln gegen Werder Bremen im August 1977?

Mein damaliger Gegenspieler Horst-Dieter Höttges war zehn Jahre lang Nationalspieler und bekannt dafür, dass er oft sehr, sehr hart eingestiegen ist. Bei dem Spiel kam er mit roten Schuhen an. Das ist heute normal, aber damals war er der Erste mit bunten Schuhen. Das hat mich geärgert, ich fand das arrogant und ging mit Riesenenergie in das Spiel. Fairerweise muss ich sagen, dass ich vier Tore nach Standards gemacht habe, ich war schon ein sehr guter Kopfballspieler.

Müller: “Selbst auf Mauritius wurde ich schon auf den Rekord angesprochen”

Leider kann man Ihre sechs Tore nicht mal mehr auf Youtube sehen.

Heute sind gefühlt 50 Kameras bei jedem Bundesligaspiel, aber von diesem Spiel gibt es keine einzige TV-Aufnahme, nur ein paar Fotos. Trotzdem profitiere ich heute noch von diesen sechs Toren, selbst auf Mauritius wurde ich schon auf den Rekord angesprochen.

Sie mussten ein paarmal um die Bestmarke zittern. Zuletzt waren Lewandowski und der damalige Frankfurter Luka Jovic mit fünf Toren nah dran.

Ja, Lewandowski hat seine fünf Tore in weniger als zehn Minuten geschossen, da habe ich schon ein bisschen gezittert. Und beim Fünferpack von Jovic war ich sogar live im Frankfurter Stadion dabei. Soll ich Ihnen was verraten?

Dieter Müller (l.) köpft gegen Bremens Keeper Dieter Burdenski am 17. August 1977 eines seiner sechs Tore gegen Werder

Dieter Müller köpft gegen Bremens Keeper Dieter Burdenski am 17. August 1977 eines seiner sechs Tore gegen Werder
imago/Pfeil

Ja, gerne.

Nach dem fünften Tor von Jovic bin ich von der Tribüne auf die Toilette gegangen, weil ich so nervös war. Aber dann hat Frankfurts Trainer Adi Hütter ihn zehn Minuten vor Schluss ausgewechselt, damit Jovic seinen Applaus kriegt. Ich glaube, Hütter hat nichts von dem Sechs-Tore-Rekord gewusst. Wie sagt der Kölner: Et hätt noch immer jot jejange.

In der Bundesliga trifft der Münchner Harry Kane nach Belieben. Ist er der Einzige, der Ihnen den Rekord abnehmen kann?

Da kann auch ein anderer ganz unvermutet einen Lauf haben. Aber Kane spielt natürlich in einer Supermannschaft, die sehr viele Chancen kreiert. Und er ist auch ein sicherer Elfmeterschütze. Das war bei mir etwas anderes. Ich habe mal einen gegen Schalke verschossen, dann haben mich Wolfgang Overath und Heinz Flohe nicht mehr rangelassen (schmunzelt).

Sie sind gebürtiger Offenbacher, waren unter Ihrem Geburtsnamen Dieter Kaster Jugendnationalspieler und 1973 Jungprofi bei den Kickers, die damals in der Bundesliga gespielt haben. Warum haben Sie den Durchbruch nicht auf dem Bieberer Berg geschafft?

Wir hatten einen furchtbaren Trainer, Gyula Lorant. Der war unmenschlich, hat mich gedemütigt. Mein Stiefvater, dessen Namen ich dann auch angenommen habe, war relativ wohlhabend. Und da hat Lorant zu unserem Manager gesagt: Der Müller kann sich nicht quälen, der hat Geld von zu Hause. War natürlich Quatsch. Man muss sich mal vorstellen, wir mussten bei Lorant teilweise mit Spikes an den Schuhen trainieren. Unser Torwart Fred Bockholt hat sich mit den Dingern an den Schuhen sogar verletzt. Dann habe ich zu Herbert Widmayer, der mein Trainer in der Jugendnationalmannschaft war, gesagt, ich will und muss weg aus Offenbach. Und Widmayer, der so etwas wie mein väterlicher Freund war, hat mich in Köln empfohlen.

Was ich im Leben gelernt habe, ist, dass die großen Spieler, ob Overath, Gerd Müller oder Franz Beckenbauer, alle auch menschlich überragend waren.

Dieter Müller

Sie kamen damals als Nobody in eine starke Kölner Mannschaft. Wie wurden Sie als 19-Jähriger von den Stars wie Overath, Flohe, Bernd Cullmann und Wolfgang Weber aufgenommen?

Was ich im Leben gelernt habe, ist, dass die großen Spieler, ob Overath, Gerd Müller oder Franz Beckenbauer, alle auch menschlich überragend waren. Overath hat gewusst, dass ich ein bisschen sensibel war. Er hat mich gleich beim Einstand zur Seite genommen und gesagt: Jung’, du brauchst keine Angst zu haben, wir brauchen einen Torjäger wie dich. Das hat mir unheimlich Selbstvertrauen gegeben und mich auch geprägt. Später habe ich dann neuen, jungen Spielern wie Pierre Littbarski, oder auch Bernd Schuster geholfen.

Offenbach war Ausgangspunkt der großen Karriere und auch Endstation mit dem Abschiedsspiel 1989. Sie waren dann von 2000 bis 2012 Präsident in Offenbach, länger als jeder andere in der OFC-Geschichte. Wie groß ist heute die Verbundenheit mit den Kickers?

Wir haben den Verein fast aus dem Abgrund in die 2. Liga geführt, ein neues Stadion wurde gebaut. Aber der Schluss war nicht schön, da gab es Intrigen. Das hat mich sehr belastet. Ich spreche oft mit Rudi Völler, der ja auch in der Kickers-Jugend gespielt hat, über Offenbach. Dann leiden wir beide. Es ist schade, dass man jetzt schon seit 2013 in der 4. Liga festhängt. Ich interessiere mich weiter für die Kickers, aber die große Verbundenheit habe ich mit dem 1. FC Köln. Sicher auch wegen der Erfolge, die wir hatten.

Anders als viele Ihrer Kollegen haben Sie nach der aktiven Zeit keine Trainerlaufbahn im Profifußball eingeschlagen. Warum?

Ich konnte mich in meinem Leben immer relativ gut einschätzen. Ich war mal Trainer bei Germania Ober-Roden, sogar ziemlich erfolgreich. Wir haben 4. Liga gespielt und den Hessenpokal gewonnen. Ich war auch mal Manager, bei Dynamo Dresden. Aber das war alles nicht das Richtige. Mir hat die Besessenheit für eine erfolgreiche Trainerkarriere gefehlt.

Stattdessen haben Sie schon früh eine Fußballschule für Kinder gegründet. Wie kam es dazu?

Ich war vorher in vielen Fußballschulen als Trainer, und immer wollten die Kinder bei mir trainieren. Also habe ich selbst eine Fußballschule gegründet, und die war von Anfang an sehr erfolgreich. Mir machte es immer riesigen Spaß, mit Kindern zu trainieren. Das war meine Berufung. Vielleicht auch, weil ich meinen Sohn Alexander mit erst 16 Jahren verloren habe. Ich hätte mir nichts Besseres und Schöneres vorstellen können, als diesen Beruf ausüben zu können.

Müllers Geschichte handelt nicht nur von Rekorden und Titeln, sondern auch von schweren Schicksalsschlägen

Ihre Geschichte handelt nicht nur von Rekorden, Titeln und großen Spielen auf dem Rasen, sondern vor allem von schweren Schicksalsschlägen.

Ich wuchs ohne meinen leiblichen Vater bei meinen Großeltern auf. Wenige Tage nach meinem ersten Bundesligaspiel für Kickers Offenbach starb überraschend mein Adoptivvater, dem ich viel zu verdanken hatte. Meine Schwester starb früh. Schrecklich war der Verlust meines Sohnes, der mit erst 16 Jahren an einem Hirntumor verstorben ist. Da guckt man in die Abgründe der menschlichen Seele. Das kann man nur überstehen mit einem gewissen Glauben, und Menschen, die einem beistehen.

Sie waren selbst dem Tod sehr nahe. Am 30. September 2012 erlitten Sie einen schweren Herzinfarkt.

Ich hatte 31 Minuten lang Herzstillstand. So etwas überleben nur ganz wenige Menschen. Ich hatte das große Glück, dass meine Frau Johanna in dem Moment meines Zusammenbruchs ins Zimmer kam und die telefonischen Anweisungen vom Mann aus der Rettungsstelle befolgt hat. Unter Anleitung machte sie bis zum Eintreffen der Ärzte Herzdruckmassage, hat mir dabei sogar eine Rippe gebrochen. Wenn Johanna nur ein paar Sekunden später gekommen wäre oder nicht die Nerven behalten hätte, dann könnten wir dieses Interview jetzt nicht führen.

Sie lagen anschließend noch vier Tage im Koma …

Ja, ich habe zwar keine Nahtoderfahrung gemacht, aber ich erinnere mich, dass ich Feen und Kobolde gesehen habe. Ich hatte später noch eine schwere Herz-OP. In diesen ganz schweren Momenten haben mir der Glaube an den Schöpfer und Gebete unglaublich viel Kraft gegeben. Seitdem glaube ich aber auch, dass man vor dem Tod keine Angst haben muss.

Julian Nagelsmann ist ein sehr guter Trainer, den hätten die Bayern nie weggeben dürfen.

Dieter Müller

Haben sich Ihr Leben und Ihre Einstellung dazu seit dem Herzinfarkt geändert?

Das Wichtigste im Leben ist Demut. Das Leben kann sich von einem Moment auf den anderen ändern. Das muss einem immer bewusst sein.

Sie hatten Ihren Gala-Auftritt bei der EM 1976 im Alter von 22 Jahren. In diesem Sommer steht wieder eine EM an. Mit welchen Chancen für die deutsche Mannschaft?

Ich sehe sehr gute Chancen. Rudi Völler ist sehr erfahren, weiß genau, was zu tun ist, und er ist ein Glücksbringer. Julian Nagelsmann ist ein sehr guter Trainer, den hätten die Bayern nie weggeben dürfen. Wir kommen mindestens ins Halbfinale, und dann gehört immer auch ein bisschen Glück dazu.

Sie haben es als zweimaliger Bundesligatorschützenkönig und bester EM-Torschütze nur auf zwölf Länderspiele gebracht. Zu wenig für Ihre Qualitäten?

Ich hatte einen traumhaften Einstand als Einwechselspieler mit meinen drei Toren im EM-Halbfinale gegen Jugoslawien, dann habe ich noch ein Tor im Finale gegen die Tschechoslowakei erzielt. Wenn Uli Hoeneß im Elfmeterschießen den Ball nicht in den Himmel, sondern ins Tor geschossen hätte, wären wir Europameister geworden, und vielleicht wäre mein Verhältnis zum damaligen Bundestrainer Helmut Schön besser geworden. Ich war ein sehr sensibler Spieler, und das hat mit uns nicht so richtig gepasst. Aber ich bin trotzdem zufrieden. Ich habe in zwölf Länderspielen neun Tore gemacht. Ob ich jetzt 30 oder 40 Länderspiele hätte, das hätte in meinem Leben nichts geändert. Ich hatte das große Glück, mit den größten Spielern der 70er und 80er Jahre zusammenzuspielen. Ich bin mit meiner Karriere sehr, sehr zufrieden.

Sie hatten im Sturm immer sehr große Konkurrenz, Klaus Fischer, Horst Hrubesch, Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Allofs, Bernd Hölzenbein. Wer ist für Sie heute der Hoffnungsträger im deutschen Sturm? Niclas Füllkrug?

Den klassischen Mittelstürmer hat man in der Vergangenheit vernachlässigt, dafür die halbe Neun, die falsche Neun geschaffen. Ich denke, eine Mannschaft kann nur erfolgreich sein, wenn sie einen guten Knipser hat. Das wird jetzt auch bei der EM so sein. Niclas Füllkrug ist international gesehen nicht der herausragende Stürmer, aber er weiß, wo das Tor steht. Und ich setze in der Offensive auf den derzeit besten deutschen Spieler, den Leverkusener Florian Wirtz, der wird sicher eine großartige EM spielen. Der Sturm wird nicht das Problem. Ich sehe das größere Manko in der Abwehr.

Sie fühlen sich dem 1. FC Köln eng verbunden. Wie groß sind die Chancen, dass der FC auch nächste Saison in der Bundesliga spielen wird?

Es fehlt sicher etwas Qualität. Ich hoffe, dass die Kölner in die Relegation kommen und es dann wie 2021 schaffen. Vielleicht wieder gegen Holstein Kiel.

Interview: Jochen Koch

Müller: “Höttges kam mit roten Schuhen. Das fand ich arrogant!”

Die bunten Treter seines Gegenspielers spornen ihn 1977 zu seinem Sechs-Tore-Rekord an. Am Ostermontag wird Dieter Müller 70 Jahre alt.

Dieter Müller steht für Tore. Sein Sechserpack für Köln gegen Bremen ist in der Bundesliga bis heute unerreicht, mit insgesamt 177 Treffern belegt er in der Ewigen Torschützenliste Platz 9. Seine 48 Tore im DFB-Pokal übertrifft nur ein anderer Müller, der mit Vornamen Gerd heißt und in diesem Wettbewerb 78-mal traf. Jenseits der Erfolge und Rekorde prägen schwere Schicksalsschläge Dieter Müllers Weg, 2012 war er dem Tod nach einem schweren Herzinfarkt sehr nahe. Vor seinem 70. Geburtstag am 1. April spricht der gebürtige Offenbacher über seine Laufbahn und sein Leben.

Zwei Kölner Fußball-Legenden feiern in diesem Jahr fast zeitgleich ihren 70. Geburtstag. Bei Toni Schumacher war es am 6. März so weit, am 1. April sind Sie dran, Herr Müller. Wie ist der Kontakt der ehemaligen Kölner Meisterspieler? Haben Sie Toni gratuliert?

Ja, natürlich. Toni wird auch zu meiner Geburtstagsfeier kommen. Wir haben gemeinsam großartige Erfolge mit dem 1. FC Köln gefeiert, und das verbindet für immer. Toni hatte immer sein Herz am rechten Fleck. Schon zu unserer aktiven Zeit hat er nie ein Blatt vor den Mund genommen und im Spiel schon mal aus seinem Kasten gebrüllt: Müller, du fauler Sack, beweg’ dich (schmunzelt)! Ich habe ihm dann immer gesagt: Mach doch mal langsam, Toni.

Sie erzielten in 326 Bundesliga-, DFB-Pokal- und Europapokalspielen insgesamt 231 Tore. 1976 wurden Sie EM-Torschützenkönig, 1977 und 1978 Torschützenkönig der Bundesliga. Doch Sie werden vor allem mit einem Rekord in Verbindung gebracht. Sechs Tore in einem Bundesligaspiel, das haben nicht einmal Gerd Müller und Robert Lewandowski geschafft.

Ja, es war eine Sternstunde. Mir war damals nicht bewusst, was ich damit geschafft habe. Ich hätte nie gedacht, dass der Rekord so lange besteht, jetzt schon bald 47 Jahre.

Welche Erinnerungen haben Sie an das 7:2 des 1. FC Köln gegen Werder Bremen im August 1977?

Mein damaliger Gegenspieler Horst-Dieter Höttges war zehn Jahre lang Nationalspieler und bekannt dafür, dass er oft sehr, sehr hart eingestiegen ist. Bei dem Spiel kam er mit roten Schuhen an. Das ist heute normal, aber damals war er der Erste mit bunten Schuhen. Das hat mich geärgert, ich fand das arrogant und ging mit Riesenenergie in das Spiel. Fairerweise muss ich sagen, dass ich vier Tore nach Standards gemacht habe, ich war schon ein sehr guter Kopfballspieler.

Müller: “Selbst auf Mauritius wurde ich schon auf den Rekord angesprochen”

Leider kann man Ihre sechs Tore nicht mal mehr auf Youtube sehen.

Heute sind gefühlt 50 Kameras bei jedem Bundesligaspiel, aber von diesem Spiel gibt es keine einzige TV-Aufnahme, nur ein paar Fotos. Trotzdem profitiere ich heute noch von diesen sechs Toren, selbst auf Mauritius wurde ich schon auf den Rekord angesprochen.

Sie mussten ein paarmal um die Bestmarke zittern. Zuletzt waren Lewandowski und der damalige Frankfurter Luka Jovic mit fünf Toren nah dran.

Ja, Lewandowski hat seine fünf Tore in weniger als zehn Minuten geschossen, da habe ich schon ein bisschen gezittert. Und beim Fünferpack von Jovic war ich sogar live im Frankfurter Stadion dabei. Soll ich Ihnen was verraten?

Dieter Müller (l.) köpft gegen Bremens Keeper Dieter Burdenski am 17. August 1977 eines seiner sechs Tore gegen Werder

Dieter Müller köpft gegen Bremens Keeper Dieter Burdenski am 17. August 1977 eines seiner sechs Tore gegen Werder
imago/Pfeil

Ja, gerne.

Nach dem fünften Tor von Jovic bin ich von der Tribüne auf die Toilette gegangen, weil ich so nervös war. Aber dann hat Frankfurts Trainer Adi Hütter ihn zehn Minuten vor Schluss ausgewechselt, damit Jovic seinen Applaus kriegt. Ich glaube, Hütter hat nichts von dem Sechs-Tore-Rekord gewusst. Wie sagt der Kölner: Et hätt noch immer jot jejange.

In der Bundesliga trifft der Münchner Harry Kane nach Belieben. Ist er der Einzige, der Ihnen den Rekord abnehmen kann?

Da kann auch ein anderer ganz unvermutet einen Lauf haben. Aber Kane spielt natürlich in einer Supermannschaft, die sehr viele Chancen kreiert. Und er ist auch ein sicherer Elfmeterschütze. Das war bei mir etwas anderes. Ich habe mal einen gegen Schalke verschossen, dann haben mich Wolfgang Overath und Heinz Flohe nicht mehr rangelassen (schmunzelt).

Sie sind gebürtiger Offenbacher, waren unter Ihrem Geburtsnamen Dieter Kaster Jugendnationalspieler und 1973 Jungprofi bei den Kickers, die damals in der Bundesliga gespielt haben. Warum haben Sie den Durchbruch nicht auf dem Bieberer Berg geschafft?

Wir hatten einen furchtbaren Trainer, Gyula Lorant. Der war unmenschlich, hat mich gedemütigt. Mein Stiefvater, dessen Namen ich dann auch angenommen habe, war relativ wohlhabend. Und da hat Lorant zu unserem Manager gesagt: Der Müller kann sich nicht quälen, der hat Geld von zu Hause. War natürlich Quatsch. Man muss sich mal vorstellen, wir mussten bei Lorant teilweise mit Spikes an den Schuhen trainieren. Unser Torwart Fred Bockholt hat sich mit den Dingern an den Schuhen sogar verletzt. Dann habe ich zu Herbert Widmayer, der mein Trainer in der Jugendnationalmannschaft war, gesagt, ich will und muss weg aus Offenbach. Und Widmayer, der so etwas wie mein väterlicher Freund war, hat mich in Köln empfohlen.

Was ich im Leben gelernt habe, ist, dass die großen Spieler, ob Overath, Gerd Müller oder Franz Beckenbauer, alle auch menschlich überragend waren.

Dieter Müller

Sie kamen damals als Nobody in eine starke Kölner Mannschaft. Wie wurden Sie als 19-Jähriger von den Stars wie Overath, Flohe, Bernd Cullmann und Wolfgang Weber aufgenommen?

Was ich im Leben gelernt habe, ist, dass die großen Spieler, ob Overath, Gerd Müller oder Franz Beckenbauer, alle auch menschlich überragend waren. Overath hat gewusst, dass ich ein bisschen sensibel war. Er hat mich gleich beim Einstand zur Seite genommen und gesagt: Jung’, du brauchst keine Angst zu haben, wir brauchen einen Torjäger wie dich. Das hat mir unheimlich Selbstvertrauen gegeben und mich auch geprägt. Später habe ich dann neuen, jungen Spielern wie Pierre Littbarski, oder auch Bernd Schuster geholfen.

Offenbach war Ausgangspunkt der großen Karriere und auch Endstation mit dem Abschiedsspiel 1989. Sie waren dann von 2000 bis 2012 Präsident in Offenbach, länger als jeder andere in der OFC-Geschichte. Wie groß ist heute die Verbundenheit mit den Kickers?

Wir haben den Verein fast aus dem Abgrund in die 2. Liga geführt, ein neues Stadion wurde gebaut. Aber der Schluss war nicht schön, da gab es Intrigen. Das hat mich sehr belastet. Ich spreche oft mit Rudi Völler, der ja auch in der Kickers-Jugend gespielt hat, über Offenbach. Dann leiden wir beide. Es ist schade, dass man jetzt schon seit 2013 in der 4. Liga festhängt. Ich interessiere mich weiter für die Kickers, aber die große Verbundenheit habe ich mit dem 1. FC Köln. Sicher auch wegen der Erfolge, die wir hatten.

Anders als viele Ihrer Kollegen haben Sie nach der aktiven Zeit keine Trainerlaufbahn im Profifußball eingeschlagen. Warum?

Ich konnte mich in meinem Leben immer relativ gut einschätzen. Ich war mal Trainer bei Germania Ober-Roden, sogar ziemlich erfolgreich. Wir haben 4. Liga gespielt und den Hessenpokal gewonnen. Ich war auch mal Manager, bei Dynamo Dresden. Aber das war alles nicht das Richtige. Mir hat die Besessenheit für eine erfolgreiche Trainerkarriere gefehlt.

Stattdessen haben Sie schon früh eine Fußballschule für Kinder gegründet. Wie kam es dazu?

Ich war vorher in vielen Fußballschulen als Trainer, und immer wollten die Kinder bei mir trainieren. Also habe ich selbst eine Fußballschule gegründet, und die war von Anfang an sehr erfolgreich. Mir machte es immer riesigen Spaß, mit Kindern zu trainieren. Das war meine Berufung. Vielleicht auch, weil ich meinen Sohn Alexander mit erst 16 Jahren verloren habe. Ich hätte mir nichts Besseres und Schöneres vorstellen können, als diesen Beruf ausüben zu können.

Müllers Geschichte handelt nicht nur von Rekorden und Titeln, sondern auch von schweren Schicksalsschlägen

Ihre Geschichte handelt nicht nur von Rekorden, Titeln und großen Spielen auf dem Rasen, sondern vor allem von schweren Schicksalsschlägen.

Ich wuchs ohne meinen leiblichen Vater bei meinen Großeltern auf. Wenige Tage nach meinem ersten Bundesligaspiel für Kickers Offenbach starb überraschend mein Adoptivvater, dem ich viel zu verdanken hatte. Meine Schwester starb früh. Schrecklich war der Verlust meines Sohnes, der mit erst 16 Jahren an einem Hirntumor verstorben ist. Da guckt man in die Abgründe der menschlichen Seele. Das kann man nur überstehen mit einem gewissen Glauben, und Menschen, die einem beistehen.

Sie waren selbst dem Tod sehr nahe. Am 30. September 2012 erlitten Sie einen schweren Herzinfarkt.

Ich hatte 31 Minuten lang Herzstillstand. So etwas überleben nur ganz wenige Menschen. Ich hatte das große Glück, dass meine Frau Johanna in dem Moment meines Zusammenbruchs ins Zimmer kam und die telefonischen Anweisungen vom Mann aus der Rettungsstelle befolgt hat. Unter Anleitung machte sie bis zum Eintreffen der Ärzte Herzdruckmassage, hat mir dabei sogar eine Rippe gebrochen. Wenn Johanna nur ein paar Sekunden später gekommen wäre oder nicht die Nerven behalten hätte, dann könnten wir dieses Interview jetzt nicht führen.

Sie lagen anschließend noch vier Tage im Koma …

Ja, ich habe zwar keine Nahtoderfahrung gemacht, aber ich erinnere mich, dass ich Feen und Kobolde gesehen habe. Ich hatte später noch eine schwere Herz-OP. In diesen ganz schweren Momenten haben mir der Glaube an den Schöpfer und Gebete unglaublich viel Kraft gegeben. Seitdem glaube ich aber auch, dass man vor dem Tod keine Angst haben muss.

Julian Nagelsmann ist ein sehr guter Trainer, den hätten die Bayern nie weggeben dürfen.

Dieter Müller

Haben sich Ihr Leben und Ihre Einstellung dazu seit dem Herzinfarkt geändert?

Das Wichtigste im Leben ist Demut. Das Leben kann sich von einem Moment auf den anderen ändern. Das muss einem immer bewusst sein.

Sie hatten Ihren Gala-Auftritt bei der EM 1976 im Alter von 22 Jahren. In diesem Sommer steht wieder eine EM an. Mit welchen Chancen für die deutsche Mannschaft?

Ich sehe sehr gute Chancen. Rudi Völler ist sehr erfahren, weiß genau, was zu tun ist, und er ist ein Glücksbringer. Julian Nagelsmann ist ein sehr guter Trainer, den hätten die Bayern nie weggeben dürfen. Wir kommen mindestens ins Halbfinale, und dann gehört immer auch ein bisschen Glück dazu.

Sie haben es als zweimaliger Bundesligatorschützenkönig und bester EM-Torschütze nur auf zwölf Länderspiele gebracht. Zu wenig für Ihre Qualitäten?

Ich hatte einen traumhaften Einstand als Einwechselspieler mit meinen drei Toren im EM-Halbfinale gegen Jugoslawien, dann habe ich noch ein Tor im Finale gegen die Tschechoslowakei erzielt. Wenn Uli Hoeneß im Elfmeterschießen den Ball nicht in den Himmel, sondern ins Tor geschossen hätte, wären wir Europameister geworden, und vielleicht wäre mein Verhältnis zum damaligen Bundestrainer Helmut Schön besser geworden. Ich war ein sehr sensibler Spieler, und das hat mit uns nicht so richtig gepasst. Aber ich bin trotzdem zufrieden. Ich habe in zwölf Länderspielen neun Tore gemacht. Ob ich jetzt 30 oder 40 Länderspiele hätte, das hätte in meinem Leben nichts geändert. Ich hatte das große Glück, mit den größten Spielern der 70er und 80er Jahre zusammenzuspielen. Ich bin mit meiner Karriere sehr, sehr zufrieden.

Sie hatten im Sturm immer sehr große Konkurrenz, Klaus Fischer, Horst Hrubesch, Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Allofs, Bernd Hölzenbein. Wer ist für Sie heute der Hoffnungsträger im deutschen Sturm? Niclas Füllkrug?

Den klassischen Mittelstürmer hat man in der Vergangenheit vernachlässigt, dafür die halbe Neun, die falsche Neun geschaffen. Ich denke, eine Mannschaft kann nur erfolgreich sein, wenn sie einen guten Knipser hat. Das wird jetzt auch bei der EM so sein. Niclas Füllkrug ist international gesehen nicht der herausragende Stürmer, aber er weiß, wo das Tor steht. Und ich setze in der Offensive auf den derzeit besten deutschen Spieler, den Leverkusener Florian Wirtz, der wird sicher eine großartige EM spielen. Der Sturm wird nicht das Problem. Ich sehe das größere Manko in der Abwehr.

Sie fühlen sich dem 1. FC Köln eng verbunden. Wie groß sind die Chancen, dass der FC auch nächste Saison in der Bundesliga spielen wird?

Es fehlt sicher etwas Qualität. Ich hoffe, dass die Kölner in die Relegation kommen und es dann wie 2021 schaffen. Vielleicht wieder gegen Holstein Kiel.

Interview: Jochen Koch

Offenbachs “Brustlöser” Knothe: “Wir sind als Mannschaft gewachsen”

Die Offenbacher Kickers haben den nächsten Schritt in eine bessere sportliche Zukunft getätigt und im fünften Pflichtspiel 2024 den dritten überzeugenden Sieg eingefahren. Mit dem hochverdienten 3:0 gegen den FSV Frankfurt vergrößerten die Offenbacher den Abstand zur Abstiegszone auf sechs Zähler.

Jubel nach dem 1:0: Noel Knothe trifft gegen seinen Ex-Klub

Jubel nach dem 1:0: Noel Knothe trifft gegen seinen Ex-Klub

IMAGO/Hartenfelser

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“Wir sind sehr froh, man sieht, dass wir deutlich stabiler sind”, freute sich Christian Neidhart, dass seine Mannschaft den 1:2-Rückschlag beim Bahlinger SC gut weggesteckt hatte. Der OFC-Trainer hatte vor 7.358 Zuschauern eine “25 Minuten lang sehr zerfahrene” Partie gesehen. Doch auch in dieser von vielen Zweikämpfen geprägten Phase hatte der OFC die besseren, griffigeren Offensivaktionen, profitierte vor allem von starken Standards, die meist der erneut starke Marc Wachs trat. In der 6. Minute verpasst Dominik Wanner mit einem Dropkick an die Latte die Führung.

Ex-Frankfurter Knothe trifft zum 1:0

Eine perfekt ausgeführte Standardsituation brachte dann die Führung. Ein Tor der Marke “ausgerechnet”: denn nach einem Freistoß von Wachs lief der frühere Bornheimer Noel Knothe ein und köpfte zur Führung ein (25.) – sein erstes Tor für den OFC, überhaupt erst sein zweites als Profi. “Auf der einen Seite war das natürlich etwas schwierig”, räumte Knothe mit Blick auf seine Vergangenheit bei den Bornheimern ein. “„Aber den muss ich natürlich machen, da kann ich keine Rücksicht nehmen”, sagte er schließlich verschmitzt lächelnd.

Für Knothe waren die gefährlichen Standards der Kickers letztlich der “Brustlöser” im so wegweisenden Derby für beide Klubs. Auch das 2:0 durch Dimitrij Nazarov (39.) fiel nach einer Standardsituation. Der Routinier stand nach Ecke von Wachs richtig – sein achter Saisontreffer.

Die Kickers hatten somit früh Fakten geschaffen in einem Mainderby im Zeichen das Abstiegskampfs. “Die Tabelle hatten wir nicht im Kopf”, betonte Keanu Staude. Der Linksaußen dreht seit der Winterpause extrem auf und machte mit einem Traumtor zum 3:0 (48.) früh den Deckel drauf. “Das ist das erste Mal, dass ich in einem Derby treffe”, freute sich der 27-Jährige, der schon im Heimspiel zuvor beim 6:1 gegen Schott Mainz mit einem Tor und zwei Vorlagen glänzte. “Er hat sich extrem gesteigert”, lobte Trainer Neidhart.

Pech für Staude: Er muss nach der fünften Gelben Karte im Auswärtsspiel am Ostersamstag beim VfB Stuttgart II ebenso gesperrt pausieren wie Abwehrchef Alexander Sorge. Doch auch diese Ausfälle bringen die Kickers derzeit nicht aus der Fassung. “Wir sind als Mannschaft gewachsen”, konstatierte Noel Knothe.

Jörg Moll

Tätlicher Angriff auf OFC-Geschäftsführer Hock: “Aber was ist in zwei Wochen?”

Christian Hock, Geschäftsführer von Kickers Offenbach, wurde beim Auswärtsspiel gegen den Bahlinger SC von einem Zuschauer in den Rücken gestoßen. Dieser Vorfall hat nun die Frage aufgeworfen, ob beim Thema Sicherheit in der Regionalliga Südwest nicht mit zweierlei Maß gemessen werde.

Wurde in Bahlingen von einem Zuschauer attackiert: OFC-Geschäftsführer Christian Hock

Wurde in Bahlingen von einem Zuschauer attackiert: OFC-Geschäftsführer Christian Hock

IMAGO/Hartenfelser

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Christian Hock ist alles andere als neu in der Branche. Aber so etwas wie am Sonntag habe er in 35 Jahren Profi-Fußball noch nie erlebt, sagt der Sport-Geschäftsführer der Offenbacher Kickers. Er sei “tief erschüttert”. Kurz vor Abpfiff der Partie beim Bahlinger SC (1:2) wurde Hock, der neben der Bank stand, von einem mit dem Heimteam sympathisierenden Zuschauer “mit beiden Händen in den Rücken gestoßen. Es hat nicht extrem wehgetan und ich habe keine blauen Flecken. Es passierte aber von hinten und ohne Vorwarnung.” Hock fragt daher: “Wie kann es sein, dass eine Coaching-Zone bloß mit Flatterband abgesperrt und kein einziger Ordner in der Nähe ist?”

Laut Maximilian Ziegler-Freisinger, Geschäftsführer der Regionalliga Südwest, ist “eine innere Umfriedung in Höhe von 2,20 Metern” vorgeschrieben. Weil es eine solche in Bahlingen nicht gibt, musste der BSC ein Ausweichstadion für den Fall melden, dass ein Risikospiel ansteht. Ob dem so sei, entscheiden die Sicherheitsbehörden vor Ort. Tatsächlich spielt der BSC seit insgesamt sechs Jahren in einem Stadion, das den Vorgaben der Liga in mindestens zwei Punkten nicht entspricht. Neben der Umfriedung fehlt auch eine Flutlichtanlage.

Wenn ich sehe, welche Strafen wir bekommen und welche Sicherheitsvorkehrungen von uns seit Jahren verlangt werden, ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man so etwas genehmigen kann.

OFC-Geschäftsführer zu den Sicherheitsvorkehrungen in Bahlingen

“Wieso werden gravierende Unterschiede bei den Sicherheitsauflagen gemacht?”, fragt Hock. Nachdem OFC-Fans (wiederholt) Gegenstände aufs Spielfeld geworfen hatten, war gegen den Verein eine Geldstrafe in Höhe von 3500 Euro sowie eine einmalige Blocksperre verhängt worden, verbunden mit der Androhung, dass bei weiteren Vorfällen die Auflage stehen kann, die Steh- in Sitzplätze umzuwandeln. “Wenn ich sehe, welche Strafen wir bekommen und welche Sicherheitsvorkehrungen von uns seit Jahren verlangt werden, ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man so etwas genehmigen kann.” Der OFC müsse jedes Mal einen fünfstelligen Betrag für Sicherheitspersonal ausgeben, in Bahlingen hätten hingegen nicht mal Ordner im Bereich der Coaching-Zone gestanden.

Flaschen und Gläser in Spielfeldnähe

“Es geht nicht um mich”, betonte der Sport-Geschäftsführer des OFC. “Aber was ist in zwei Wochen? Wird dann vielleicht jemand mit einer Flasche oder einem Regenschirm attackiert?” In der Tat hatten in Bahlingen viele Zuschauer Schirme dabei, obwohl das laut Ziegler-Freisinger nicht zulässig ist. Zudem standen in Spielfeldnähe Weinflaschen und Gläser auf Tischen. Das Sportgericht wird sich mit dem Fall befassen.

24. SPIELTAG

BSC-Sprecher Stefan Ummenhofer nannte den Vorfall bedauerns- und verachtenswert. Trainer Axel Siefert stellte ebenfalls klar, dass so etwas nicht gehe. Er habe die Szene aber eher so gedeutet, dass der Zuschauer Hock auf einen Vorfall aufmerksam machen wollte, der sich kurz zuvor abgespielt hatte. Da sei nämlich ein ausgewechselter BSC-Spieler von OFC-Fans bespuckt sowie mit Bechern beworfen worden. Hock sah darin eine Relativierung, stellte aber zugleich klar: “Es geht mir nicht darum, dass Bahlingen bestraft wird.” Stattdessen stellt er “das Konstrukt Regionalliga Südwest” in Frage. Die Liga müsse so etwas im Zulassungsverfahren besser regeln. Aktuell sei vieles “amateurhaft”.

Christian Düncher

Die Auferstehung von Kickers Offenbach? “Unser Weg fängt gerade erst an”

Der Start ins neue Kalenderjahr ist dem OFC mehr als nur gelungen. Ungeschlagen und zuletzt mit zwei deutlichen Pflichtspiel-Erfolgen blitzte die oft vermisste Qualität der Offenbacher auf. Beim OFC wird in dieser Saison trotzdem weiter tief gestapelt.

Sieht sein Team auf einem guten Weg: OFC-Trainer Christian Neidhart

Sieht sein Team auf einem guten Weg: OFC-Trainer Christian Neidhart

IMAGO/Eibner

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Nach der enttäuschenden ersten Saisonhälfte war klar, dass sich bei Kickers Offenbach etwas ändern muss. Und es scheint, als hätten die Verantwortlichen an den richtigen Stellschrauben gedreht. Nach dem 0:0 bei der heimstärksten Mannschaft der Liga, SG Barockstadt Fulda-Lehnerz, und zwei souveränen 6:1-Pflichtsiegen gegen Schlusslicht TSV Schott Mainz sowie im Landespokal-Achtelfinale bei Hessenligisten SV Steinbach darf der Start in die Restsaison als gelungen bezeichnet werden. Christian Neidhart ordnet die bisherige Jahresbilanz aber realistisch ein: “Unser Weg fängt gerade erst an”, sagt der Trainer. Eines der Hauptziele sei es, Stabilität reinzubekommen. Die jüngsten Auftritte geben diesbezüglich Anlass zur Hoffnung. “Wir sind auf einem guten Weg, aber er ist noch lange nicht zu Ende”, betont Neidhart.

Zwei Schritte zur vollen Hütte

In der Tat hat sich an der Situation für den OFC nicht viel geändert. Es ging zuletzt zwar zwei Plätze nach oben, der Vorsprung auf den ersten potenziellen Abstiegsrang beträgt aber weiterhin nur drei Zähler. In der Partie beim Tabellennachbarn Bahlinger SC (9. Platz, 31 Punkte) bietet sich den Kickers (8./33) nun allerdings die Chance, einen direkten Rivalen etwas zu distanzieren und zudem Werbung für das bevorstehende Derby zu machen. “Wenn wir ins Viertelfinale einziehen und am Sonntag in Bahlingen ein gutes Spiel machen, können wir dafür sorgen, dass wir beim Heimspiel gegen den FSV Frankfurt eine volle Hütte haben”, hatte Neidhart vor dem Pokalspiel gesagt. Teils eins hat der OFC souverän gemeistert. Teil zwei wird schwerer werden – trotz des 5:2-Hinspielsieges. Erstens ist Bahlingen im Aufwind, zweitens plagt die Offenbacher seit Montag eine Erkältungswelle und drittens hat sich mit Kevin Lankford einer der Winterzugänge im Pokalspiel verletzt. Von einer muskulären Sache ist die Rede. Der zweitliga-erprobte Rechtaußen, der beim Heimsieg gegen Schott Mainz zu den Torschützen zählte, wird wohl mindestens in Bahlingen ausfallen.

24. Spieltag

Für den 25-Jährigen ist das ein herber Rückschlag. Nachdem er zuletzt bis Mitte Oktober in den USA für den Zweitligisten Orange County SC gekickt hatte, sollte er sich über Einsätze die nötige Spielfitness holen. In Marc Wachs (zuletzt Eintracht Frankfurt II) trat hingegen ein weiterer Winterzugang bisher so souverän auf, dass Neidhart anerkennend fragte: “Habe wir den geholt oder war der gefühlt schon immer da?” Der Mittelfeld-Stratege präsentiert sich jedenfalls auf Anhieb als die erhoffte Verstärkung. Er ordnet, stabilisiert, dirigiert und treibt an. Gegen Schott Mainz erzielte er mit einem souverän verwandelten Elfmeter sein erstes Tor für den OFC, im Pokal ließ er ein weiteres folgen (diesmal per sehenswertem Lupfer) und bereitete drei vor. “So macht Fußball Spaß”, hatte er nach dem letzten Ligaspiel gesagt.

Christian Düncher