FC Krywbas: Von der Front bis an die Spitze der ukrainischen Premier Liga

In der Ukraine sind wieder Zuschauer in den Fußballstadien erlaubt, allerdings stets nur so viele, wie die Luftschutzbunker in unmittelbarer Nähe aufnehmen können. Auch sonst ist in Zeiten des Krieges vieles anders als zuvor.

Gewann einst mit dem FC Sheriff bei Real Madrid: Jurij Vernydub.

Gewann einst mit dem FC Sheriff bei Real Madrid: Jurij Vernydub.

imago images/Ukrinform

Zwei Jahre nach dem Start des russischen Angriffskriegs fallen weiter ständig Bomben. Auch in Krywyj Rih, einer Bergbau-Metropole im Südosten des Landes, schrillen immer wieder die Sirenen. Vor dem Krieg war Krywyj Rih bekannt für seine Ausmaße von fast 150 Kilometern Länge, geschuldet dem Abbau etwa von Uran-Erz, das teils oberirdisch mitten in der Stadt abgegraben wurde, in der vor dem Krieg 600.000 Menschen lebten.

Enge Verbindung zum Staatspräsidenten

Die harten Lebensbedingungen sorgten für negative Begleiterscheinungen wie besonders heftige Alkhohol- und Drogenprobleme in der Bevölkerung. Aktuell aber schauen zumindest viele Fußballfans in der Ukraine fasziniert nach Krywyj Rih. Denn der FC Krywbas steht an der Spitze der Premier Liga und tritt an diesem Sonntag in Lwiw vor 500 erlaubten Zuschauern gegen Schachtar Donezk an, das schon seit zehn Jahren keine Heimspiele mehr austragen kann. Weil sich der einstige Serienmeister im Umbruch befindet und auch Dynamo Kiew unter einem neuen Trainer noch auf Selbstsuche ist, stieß Krywbas in die Lücke.

Dabei war der Verein 2013 pleitegegangen und nach 21 Saisons aus der 1. Liga verbannt worden. Doch just als Wolodymyr Selenskyi 2019 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, folgte bald die Fusion mit einem Zweitligisten, dann die Rückkehr ins Oberhaus. “Selenskyi war als Kind bei Spielen von Krywbas. Dies ist seine Heimatstadt”, erklärt Artem Haharin, der Vizepräsident des Klubs. Die Bergbau-Firma von Vereinschef Kostyantyn Karamanits hatte vermehrt Staatsaufträge erhalten, so konnte er wieder in den Klub investieren – Fußball ist auch ein Spiegel der politischen Realitäten im Land.

Vernydub: Nach Sieg bei Real an die Front

Im Stadion von Krywbas stehen Pappaufsteller gefallener Soldaten, die Fans des Vereins waren.

Im Stadion von Krywbas stehen Pappaufsteller gefallener Soldaten, die Fans des Vereins waren.
FC Krywbas

Im Vorjahr schloss Krywbas die Liga noch als 7. ab, auch deshalb, weil die Mannschaft zu Heimspielen fast 500 Kilometer im Bus nach Girnyk fahren musste. Nun wird aber wieder in Krywyj Rih gespielt, obwohl die Stadt fortwährend unter Beschuss liegt. Auf den Tribünen des kleinen Stadions stehen Pappaufsteller von gefallenen Soldaten, die Fans des Klubs waren.

Premier Liga

Dass man nun ganz oben steht, liegt freilich auch an Coach Jurij Vernydub. Der 58-Jährige spielte 1993/94 beim Chemnitzer FC und gewann im Herbst 2021 sensationell mit dem FC Sheriff aus Moldau ein Gruppenspiel der Königsklasse bei Real Madrid. Direkt nach Kriegsbeginn hatte er Sheriff verlassen und für vier Monate daheim an der Front gekämpft, dann übernahm Vernydub den FC Krywbas, wo heute auch acht Profis aus dem Ausland spielen, etwa Kameruns U-21-Nationalspieler Yvan Dibango.

Schon in Tiraspol hatte Vernydub es geschafft, aus einheimischen Spielern und eher mittelmäßigen ausländischen Profis eine geschlossene Einheit zu formen. Nun hat er mit Krywbas von den letzten neun Spielen nur eines verloren. Aber kann das reichen für den ersten Titel des Vereins? “Ja”, sagt Vernydub, “wir haben große Ziele. Selbst ein Krieg kann uns nicht stoppen.”

Oleh Zadernovsky