Schmidts Sonderlob für Amiri: “Das ist eine Wahnsinnsqualität”

Lange Zeit fiel Mainz 05 das Toreschießen ziemlich schwer. Jetzt haben sich Jae-Sung Lee, Jonathan Burkardt und Brajan Gruda gefunden. Gegen Darmstadt und Hoffenheim erzielte der FSV acht Treffer.

Er ist in Mainz ein Unterschiedsspieler: Nadiem Amiri.

Er ist in Mainz ein Unterschiedsspieler: Nadiem Amiri.

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Während man beim 4:0 gegen Darmstadt 98 noch mutmaßen konnte, die hohe Torausbeute habe mit dem Gegner zu tun, der die Schießbude der Liga ist, wurde man beim 4:1 gegen die TSG eines Besseren belehrt. Gegen einen Klub, der um Tabellenplatz sechs mitspielt, dominierte Mainz das Geschehen fast nach Belieben.

Zu verdanken war das auch dem Offensivtrio, das aus Jae-Sung Lee, Jonathan Burkardt und Brajan Gruda besteht. Mit der gleichen Besetzung im vorderen Bereich hatte Mainz übrigens vier Spieltage zuvor beim FC Bayern 1:8 verloren – wie sich die Zeiten ändern. Die Klatsche in München hatte offensichtlich einen Hallo-wach-Effekt und kann mittlerweile als Ausreißer betrachtet werden. Vor dem Duell beim SC Freiburg (Sonntag, 19.30 Uhr, LIVE! bei kicker) haben die 05er nur noch einen Zähler Rückstand auf Tabellenplatz 15.

Gruda und Lee trafen in den jüngsten beiden Partien je zweimal, Burkardt einmal. Bei den Torvorlagen hat Burkardt (2) die Nase vorne, Lee und Gruda kommen auf jeweils eine. Die meisten Torschüsse aus dem Trio gab Lee (8) ab, gefolgt von Burkardt (7) und Gruda (3). Gegen Hoffenheim zeigte sich das gesamte Team sehr schussfreudig und kam auf 25 Torschüsse. Davor lag der Schnitt nur bei 13,86 pro Partie.

“Die anderen Spieler wachsen daran”

“Dass die Mannschaft Fußball spielen kann, wussten wir schon lange, jetzt tritt sie auch mit Selbstbewusstsein auf. Nadiem Amiri ist unglaublich, wenn man sieht, wie er die Konter antreibt, das ist eine Wahnsinnsqualität, und die anderen Spieler wachsen daran”, stellt Sportdirektor Martin Schmidt fest. Die Entscheidung, Amiri im Winter in Leverkusen loszueisen, ist ein entscheidender Faktor für den momentanen Erfolg.

Hinzu kommt der Formanstieg von Lee, Gruda und Burkardt. Lee saß nach der Fernreise zur südkoreanischen Nationalmannschaft in Mainz zunächst auf der Bank, versprüht inzwischen wieder Spielfreude. Genau wie der junge Gruda, der auch eine Weile nur Reservist war und sich mittlerweile mehr und mehr zum Unterschiedsspieler entwickelt. Burkardt, der erst Ende November aus einer langen Verletzungspause zurückkehrte, wird immer fitter und war gegen Hoffenheim mit 11,27 Kilometern der laufstärkste Mainzer.

Michael Ebert

Henriksen über seine Mainzer: “Stolz darauf, wie wir angreifen”

Gegen Schlusslicht Darmstadt traten die 05er gleichermaßen wie stabil wie durchschlagskräftig auf. Das soll keine Momentaufnahme bleiben.

Wieder Grund zu lachen: Jae-Sung Lee (li.) und Jonathan Burkardt (re.) feiern mit ihren Teamkollegen das Tor des nicht abgebildeten Angriffskollegen Brajan Gruda.

Wieder Grund zu lachen: Jae-Sung Lee (li.) und Jonathan Burkardt (re.) feiern mit ihren Teamkollegen das Tor des nicht abgebildeten Angriffskollegen Brajan Gruda.

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Defensiv stabil präsentiert sich Mainz 05 seit dem Amtsantritt von Bo Henriksen ohnehin – mit Ausnahme des 1:8 beim FC Bayern. In sieben Ligapartien unter der Regie des dänischen Fußballlehrers spielten die Rot-Weißen vier Mal zu null, zuletzt dreimal in Folge.

Eine längere Serie von “weißen Westen”, nämlich vier, gab es für die Rheinhessen in der Bundesliga lediglich im April 2012. Beim jüngsten 4:0 gegen Darmstadt gelang Jonathan Burkardt und Kollegen indes auch eine Saisonpremiere: Erstmals traf Mainz häufiger als zweimal in den gegnerischen Kasten.

“Wir haben ausgesehen wie ein Team, das Tore schießen will”, streicht Henriksen heraus, “das war mehr oder weniger über die ganze Saison gesehen anders. Und jetzt hätten wir sogar noch mehr Tore schießen können”.

Burkardt, Gruda, Lee: Wirbelnde Dreier-Offensive erhöht Unberechenbarkeit

Ein Grund dafür, auch aus Sicht des Trainers: Die Besetzung der Dreier-Offensive mit Burkardt, Brajan Gruda und Jae-Sung Lee. Allesamt agile Angreifer, die auf ihren Position rotieren und “die Halbräume finden”, wie Henriksen formuliert. Bedeutet: Spieler, die für die gegnerischen Abwehrkräfte schwer zu greifen sind. Und die “sich trauen, zu kombinieren. Vor allem im letzten Drittel sind wir dadurch viel schneller”.

Die Unberechenbarkeit wird also deutlich erhöht gegenüber einer Formation mit klassischem Zentrumsstürmer vom Schlag eines Ludovic Ajorque. Dass Henriksen auch am Samstag gegen Hoffenheim (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) an vorderster Front aufs wirbelnde Trio Burkardt-Lee-Gruda setzt, wäre zumindest naheliegend.

Schließlich erklärt er mit Blick aufs vergangene Wochenende unverblümt: “Ich bin sowieso stolz darauf, wie wir verteidigen. Aber jetzt können wir auch stolz darauf sein, wie wir angreifen.” Damit ist in Henriksens Augen zumindest für den Moment die nächste Entwicklungsstufe erreicht.

Gegen Bayern habe ich nur an den Gegner gedacht. Aber der Fokus auf uns ist wichtiger.

Bo Henriksen

Unterdessen verriet Burkardt schon unmittelbar nach der Darmstadt-Partie, sich in der Rolle als Mittelstürmer noch “einen Tick wohler” zu fühlen als auf außen. Die “geringere Boxpräsenz”, die sich Burkardt selbst im Vergleich zu Ajorque und Karim Onisiwo attestiert, ist dabei für Henriksen kein Problem: “Ich denke, auch Johnny kann eine klassische Neun spielen. Er ist clever und in den Duellen wirklich stark. Wir haben gegen Darmstadt gesehen, dass er sich auch gegen die großen Kerle durchsetzen kann.”

Wann eventuell trotzdem wieder der Typ Ajorque gefragt sein wird, hänge unter Umständen auch vom Gegner ab, ergänzt Henriksen: “Doch der wichtigste Faktor ist nicht, was andere machen, sondern wir.” Abgewichen sei er von diesem Prinzip gegen die Bayern, räumt der 05-Coach ein: “Da habe ich nur an den Gegner gedacht. Aber es ist wichtiger, den Fokus darauf zu legen, worin wir gut sind.” Was vorm Spiel gegen Hoffenheim kaum für eine personelle Veränderung der Offensive spricht.

Thiemo Müller

Henriksens Liebeserklärung an Lee

Anders als beim jüngsten 2:0 im Schlüsselspiel gegen Bochum wartet bei RB Leipzig nun wieder ein Spitzenteam auf Mainz 05. Für den Trainer der Rheinhessen kein Anlass, die grundsätzliche Herangehensweise zu ändern.

Jae-Sung Lee (li.) und Mainz-Trainer Bo Henriksen.

Jae-Sung Lee (li.) und Mainz-Trainer Bo Henriksen.

IMAGO/Martin Hoffmann

Gedanken an die 1:8-Klatsche beim FC Bayern, das bislang letzte Auswärtsspiel, will 05-Coach Bo Henriksen gar nicht erst aufkommen lassen: “Natürlich geht es jetzt wieder gegen eine Top-Mannschaft”, sagt der Däne, “aber das ist Leverkusen auch. Und dort hätten wir beinahe einen Punkt geholt.” Weshalb man die bevorstehende Partie in Leipzig “lieber mit Leverkusen als mit Bayern vergleichen” wolle. Henriksens Ansage: “Wir wissen natürlich um die Leipziger Klasse – aber wir fahren trotzdem dahin, um gewinnen.” Entscheidend fürs Gelingen seien “harte Arbeit, die Performance und Gewinnermentalität. Wenn das alles stimmt, haben wir immer eine Chance, egal gegen wen.”

Auch aus der Länderspielpause leitet der Coach etliche Fortschritte ab

Positivität bleibt also der Schlüssel in der Herangehensweise des Fußballlehrers, der auch aus der zurückliegenden Länderspielpause wieder etliche Fortschritte ableitet. “Hauptsache war, die Spieler, die aus Verletzungen gekommen sind, fitter zu kriegen. Das haben wir geschafft, zudem hat uns die Zeit mental weitergebracht. Ich erlebe ein Team mit großem Spirit.”

Außer für Leandro Barreiro, der mit Luxemburg die EM-Teilnahme verpasst hat, gab es auch für die Länderspielreisenden durchweg Erfolgserlebnisse. Jae-sung Lee trat bei Südkoreas 3:0 gegen Thailand ebenso als Torschütze in Erscheinung wie Brajan Gruda beim 2:0-Erfolg der deutschen U 21 gegen Israel. Phillipp Mwene siegte mit Österreich 6:1 gegen die Türkei, Silvan Widmer mit der Schweiz 1:0 in Irland. Andreas Hanche-Olsen war vergangenen Freitag bei Norwegens 1:2 gegen Tschechien über die komplette Distanz am Start, wurde dann am Dienstag gegen die Slowakei (1:1) absprachegemäß geschont. “Auch das war gut für uns”, so Henriksen, “erstmals nach seiner Verletzung hat Andreas wieder volle 90 Minuten absolviert.”

“Lee ist kein Mann großer Worte – er zeigt es einfach auf dem Platz”

Ebenso wie Sepp van den Berg dürfte Hanche-Olsen damit in der Dreierkette gesetzt sein. Wer dort den gelbgesperrten Dominik Kohr ersetzt, ließ der Coach am Donnerstag noch offen. Als Optionen nannte er Edimilson Fernandes, Josuha Guilavogui und Anthony Caci. Nahezu die maximale Auswahl zu haben, freut Henriksen generell hörbar. Lob aus Trainermund gibt es für seine Profis querbeet, auch für die unter seiner Regie bislang noch erfolglosen Torjäger Karim Onisiwo (“Er hat fantastisch trainiert, als hätten wir einen neuen Spieler”) und Ludovic Ajorque (“Ich war zufrieden mit seiner Arbeit gegen Bochum, und er hat es auch im Training sehr gut gemacht”).

Eine regelrechte Hymne stimmte Henriksen gar auf Lee an: “Er ist ein Kämpfer, der für uns durchs Feuer geht. Auf ihn kann man immer zählen, dabei ist er kein Mann großer Worte. Sondern er zeigt es einfach auf dem Platz. Das liebe ich.” Weshalb Lee trotz der strapaziösen Länderspielreise auch in Leipzig nicht wegzudenken sein dürfte. Thiemo Müller

Thiemo Müller