Mukiele: Vom Wackelkandidaten zum Stabilisator

Nach schwerem Start ist PSG-Leihgabe Nordi Mukiele bei Bayer 04 zu einem wichtigen Faktor geworden. Dabei wird der Franzose meist für Sondereinsätze gebraucht, was den Verteidiger umgekehrt aber nicht unentbehrlich macht.

Nordi Mukiele (li.) hat als Kampfmaschine für Bayer 04 auch taktische Bedeutung.

Nordi Mukiele (li.) hat als Kampfmaschine für Bayer 04 auch taktische Bedeutung.

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Als für Nordi Mukiele am 4. Spieltag beim 4:3-Sieg gegen Wolfsburg sein Startelf-Debüt nach 45 Minuten beendet war, standen hinter der Leihgabe von PSG riesige Fragezeichen. Hatte der 26-Jährige doch eine grausige Partie gespielt. Stellungsfehler, Fehlpässe, ein Eigentor – schlimmer ging es kaum. Und schon wurden Zweifel laut. Hilft der Franzose Bayer überhaupt weiter?

Diese Frage hat der kurz vor Transferschluss gekommene Rechts- und Innenverteidiger, der sich später auch noch zu allem Überfluss eine Muskelverletzung im Oberschenkel zuzog und mehrere Wochen ausfiel, seit dem Spätherbst eindrucksvoll beantwortet. “Er hilft uns sehr. Natürlich hat seine Entwicklung und Eingewöhnung ein bisschen Zeit gebraucht”, rekapituliert Xabi Alonso mit Blick auf eine Vorbereitung, in der die Kampfmaschine für Paris keine Minute gespielt hatte, “aber jetzt merken wir seine Qualität. Er ist physisch stark, ein Wettkampf-Typ.”

Er hat in den großen Spielen ein sehr gutes Niveau gezeigt.

Xabi Alonso

Aktuell spielt Mukiele auf konstant hohem Niveau. Und ganz besonders in den Topspielen in Leipzig (2:2), bei Atletico Madrid (1:2), als er den Leverkusener Treffer vorbereitete, in Dortmund (3:2), als er seine Seite gegen Jamie Gittens komplett dicht machte, gegen Inter Mailand (1:0), als er das Goldene Tor erzielte, und im DFB-Pokal-Achtelfinale in München (1:0) oder auch beim 0:0 gegen Stuttgart war der Rechtsfuß voll da. “Wir haben gesehen, dass er in den großen Spiel ein sehr gutes Niveau gezeigt hat”, urteilt sein Trainer.

Dadurch hat der Athlet enorm an Status gewonnen. Durch seine Leistungen. Und dadurch, dass mit ihm eine neue taktische Variante für die Werkself möglich ist. In den genannten Partien setzte Xabi Alonso auf eine Viererkette nur aus Innenverteidiger-Typen. “Er hat diese Qualität in Eins-gegen-eins-Situationen zu verteidigen und in großen Räumen. Wenn wir hoch pressen wollen, ist die Physis wichtig”, lobt der Spanier und fügt an: “Wenn er fokussiert ist, zu 100 Prozent mit dem Kopf bei der Sache ist, ist er sehr wettbewerbsfähig.”

Gegen die Großen ist er wichtig, gegen die Kleinen entbehrlich

Bayer konnte so sein hohes Pressing durchziehen mit der Gewissheit, dass hinten im Notfall alles abgeräumt wird, was durchkommt. “Das ist top, dass wir so variabel sein, dass wir immer wieder anpassen können, an den Gegner aber auch im Spiel. Und es dem Gegner so einfach auch schwerer machen, weil wir so variabel sind”, urteilt Abwehrchef Jonathan Tah, “Nordi hilft uns da extrem.”

Mukiele fungiert so oft als Sondereinsatzkommando. Was ihn zum einen gegen die starken Gegner besonders wichtig, gegen die kleineren aber auch entbehrlich macht. So muss der Franzose oft auch nach guten Partien aus taktischen Gründen aus der Startelf weichen.

Mukiele ist mehr der Mann fürs Grobe

So wäre es wohl auch beim 2:0 gegen Sparta Prag in der Champions League gewesen, wenn Piero Hincapie nicht gesperrt gefehlt hätte. So durfte Mukiele mal wieder in der Dreierkette ran. Auch diesen Job erledigte er gut, leitete zudem mit seinem Kopfball in den Lauf von Vorlagengeber Jeremie Frimpong den Führungstreffer von Florian Wirtz ein.

Dementsprechend gab es für Mukiele, der nicht in die Abteilung der Edeltechniker gehört, sondern als aggressiver, dynamischer Zweikämpfer mehr der Mann fürs Grobe ist, auch Lob von Tah. “Er spielt sehr, sehr gut, gibt uns sehr viel Stabilität im Spiel. Auch mit dem Ball seine Dynamik. Er macht es echt gut in den letzten Spielen”, urteilt der deutsche Nationalspieler.

Man sieht, dass er uns brutal hilft.

Jonathan Tah

Wie Mukiele sich aus dem Tief zum Beginn herausgekämpft hat, findet Tahs Respekt. “Er ist geduldig gewesen am Anfang, als es vielleicht schwierig war. weil er nicht so frisch war und zuvor nicht so viele Spiele über 90 Minuten gemacht hat”, erklärt der Abwehrchef, “jetzt sieht man, dass er uns brutal hilft.” Womit alle Fragezeichen verschwunden wären.

Stephan von Nocks

Trotz Top-Abwehr: Warum Bayer noch einen Innenverteidiger braucht

Dass Bayer 04 zum Wiederauftakt in Dortmund gewann, lag in erster Linie an der bärenstarken Defensive, insbesondere an der herausragenden Viererkette. Dennoch benötigt Leverkusen in der hintersten Linie Verstärkung.

Applaus, Applaus: Bayers Defensivleistung in Dortmund fand viel Beifall.

Applaus, Applaus: Bayers Defensivleistung in Dortmund fand viel Beifall.

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Wenn Bayer 04 am Dienstagabend (20.30 Uhr, LIVE! bei kicker) den 1. FSV Mainz 05 empfängt, wird sich die Personallage in Leverkusens Abwehr wieder etwas freundlicher gestalten. Dürfte Xabi Alonso gegen den Tabellenfünften doch anders als beim 3:2-Sieg in Dortmund auf die gewohnte Dreierabwehrkette mit Edmond Tapsoba, Jonathan Tah und Piero Hincapie setzen.

Damit hätte der Spanier dann noch Nordi Mukiele, der in Dortmund als Rechtsverteidiger mit einer blitzsauberen Defensivleistung überzeugte als Alternative in der Hinterhand. So könnte er bei Bedarf den Franzosen oder den eigentlichen Mittelfeldspieler Robert Andrich in die Abwehrkette einbauen, den er schon wiederholt als “Libero” in der Dreierformation einsetzte.

In Dortmund war der 16-jährige Natali die einzige Alternative

Wird Xabi Alonso am Dienstagabend in der Abwehr also gezwungen zu reagieren, dürfte dies akut kein Problem aufwerfen. In Dortmund mit der Viererkette hätte sich dies aber ganz anders dargestellt. Dort saß beim Wiederauftakt am Freitag nämlich einzig der 16-jährige Andrea Natali als Alterative für die Abwehr auf der Ersatzbank. Das im Sommer ablösefrei vom FC Barcelona gekommene Talent ist noch ohne jede Profi-Erfahrung.

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Natali wäre nur eine Notlösung gewesen. Und auch Andrich wäre für eine Viererkette sicher weniger geeignet als für den Job zentral in der Dreierabwehr. Womit allein schon ein Blick auf den Spielberichtsbogen unterstrich, wie gut dem Kader trotz der herausragenden Leistung der Vierer-Abwehrkette ein weiterer gestandener Innenverteidiger tun würde. Besteht doch auf dieser Position seit der schweren Verletzung von Jeanuel Belocian (Kreuzbandriss) definitiv ein Engpass.

Ohne Belocian-Ersatz hängt die Viererkette am seidenen Faden

Dass Xabi Alonso an der Variante mit einer Viererkette aus vier gelernten Innenverteidigern durchaus Gefallen gefunden hat, zeigen die erfolgreichen Topspiele gegen Stuttgart (0:0), in München im DFB-Pokal (1:0), gegen Inter Mailand in der Champions League (1:0) und eben jetzt in Dortmund. Die Option, auf eine solche Abwehrformation zurückzugreifen, ist derzeit davon abhängig, dass keiner der fitten Innenverteidiger (Mukiele, Tah, Tapsoba, Hincapie) ausfällt. Ohne einen Belocian-Ersatz hängt diese also am seidenen Faden.

Holt Bayer keinen passenden Ersatz, was auf dem Winter-Transfermarkt alles andere als einfach wird, würde man damit das erhöhte Risiko eingehen, Xabi Alonso bei dem Ausfall nur eines einzigen weiteren Innenverteidigers die Option mit dieser speziellen Viererkette zu nehmen. Und diese dürfte in der Rückrunde auch mit den anstehenden K.-o.-Spielen in der Champions League beim Basken noch öfter gefragt sein als im bisherigen Saisonverlauf ohnehin schon.

Stephan von Nocks

Bayers schwierige Suche nach einem Belocian-Ersatz

Nach dem Kreuzbandriss von Jeanuel Belocian droht Bayer 04 in der Abwehr ein Engpass. Doch einen Ersatz für den Links- und Innenverteidiger zu verpflichten, ist nicht einfach. Zumal reiner Aktionismus dem Double-Gewinner nicht weiterhilft.

Da Jeanuel Belocian nach einem Kreuzbandriss ausfällt, erwägt Bayer, im Winter einen Innenverteidiger zu verpflichten.

Da Jeanuel Belocian nach einem Kreuzbandriss ausfällt, erwägt Bayer, im Winter einen Innenverteidiger zu verpflichten.

IMAGO/Eibner

Als am Montag das Saison-Aus für Jeanuel Belocian aufgrund eines Kreuzbandrisses feststand, mussten die Bosse bei Bayer 04 beraten, wie man auf den Ausfall des 19-jährigen Franzosen reagiert, der sowohl für die linke Außenbahn im 3-4-3 als auch für die Innenverteidigung als Backup eingeplant war. Ausgerechnet in der Dreierabwehrkette hatte das Verletzungspech zugeschlagen, für die Bayer 04 ohnehin nur fünf gelernte Innenverteidiger im Kader hat.

Der Wunsch nach einer Alternative für die Abwehr liegt nahe

Die drei zentralen Abwehrpositionen sind die einzigen, die nicht komplett doppelt besetzt sind. Da aber Sechser Robert Andrich schon wiederholt als “Libero” in der Dreierkette überzeugte, bestanden bislang für Trainer Xabi Alonso genügend Optionen. Bislang. Doch angesichts von drei Hochzeiten, auf den der Double-Gewinner weiterhin tanzt,  ist der Wunsch nach einer weiteren Alternative für die Innenverteidigung nach Belocians schwerer Verletzung logisch. Vor allem, da der flexibel aufgestellte Kader bewusst schlank angelegt wurde, wodurch er bei Ausfällen schneller an seine Grenzen stößt.

Günstig ist es für Bayer, dass der Belocian-Ersatz keine Kopie des 19-jährigen Franzosen darstellen muss. Wäre doch ein Linksfuß mit Qualität, der sowohl innen als auch außen verteidigen kann, gerade im Winter kaum erschwinglich.  Doch im Hinblick auf die kommende Saison wäre es sogar kontraproduktiv, einen Spieler mit demselben Profil fix zu verpflichten. Wären doch dann die Positionen Belocians überbesetzt, wodurch dem Talent nach seiner Rückkehr aus dem Krankenstand der Weg verbaut würde.

Bayer ist nicht auf eine Position in der Dreierkette festgelegt

Anders sieht es auf der zentralen und der rechten Position in der Dreierkette aus. Dort stehen im Sommer personelle Veränderungen bevor: Abwehrchef Jonathan wird den Klub ablösefrei verlassen, der von Paris St. Germain ausgeliehenen Nordi Mukiele in die französische Hauptstadt zurückkehren. Diese zwei Planstellen muss Bayer also ohnehin in naher Zukunft neu besetzen, da derzeit Vieles dafür spricht, dass Atalanta Bergamo die Kaufoption für den aus Leverkusen geliehenen Odilon Kossounou ziehen wird.

Bayer ist also bei der Suche nach dem Belocian-Ersatz nicht auf eine Position in der Abwehrkette festgelegt, was die Aufgabe grundsätzlich erleichtert. Dennoch bleibt diese hoch diffizil. Denn dass der Klub beispielsweise schon im Winter einen gleichwertigen Tah-Nachfolger verpflichten kann, ist äußerst unwahrscheinlich.  Welcher Klub gibt denn zu diesem Zeitpunkt einen so hochkarätigen Abwehrspieler ab und das auch noch zu einem für Bayer 04 erschwinglichen Preis?

Leverkusen kann nicht mit viel garantierter Einsatzzeit locken

Ein Vorgriff bei dem Mukiele-Ersatz erscheint da schon realistischer. Wobei auch hier sich die Frage stellt, ob ein Spieler dieser Qualität im Januar verfügbar und finanzierbar ist. Ein fixer Transfer als Lösung des Innenverteidiger-Engpasses stellt eine große Herausforderung dar. Am ehesten könnte sich dafür eine Tür öffnen, wenn ein unter massivem Verkaufsdruck stehender Klub einen passenden Kandidaten im Kader hätte. Viele Konjunktive und damit ein unwahrscheinliches Szenario.

Und auch bei einer Winter-Leihe stellt sich das Problem, dass Bayer einen Spieler mit hoher Qualität benötigt, dem man aber keinen Stammplatz in Aussicht stellen könnte. Doch gerade die Hoffnung auf mehr Einsatzzeit als beim alten Klub stellt bei Leihgeschäften im Januar oft einen wichtigen Faktor dar.

Der Neue müsste sportlich und charakterlich passen

Klar ist in jedem Fall: Purer Aktionismus ergibt für den Werksklub keinen Sinn. Zudem muss der Neue nicht nur sportlich, sondern auch gerade charakterlich in die Mannschaft passen. Da diesem aufgrund der hochkarätigen und absolut gesetzten Erstbesetzung mit Piero Hincapie, Jonathan Tah und Edmond Tapsoba kein Stammplatz winkt.

Der ideale Kandidat muss also einerseits so viel Qualität mitbringen, um einen Akteur aus diesem Trio ersetzen zu können. Andererseits muss er aber auch bereit sein, sich womöglich die meiste Zeit in dieser Saison mit der Rolle als Ersatz- und bestenfalls Rotationsspieler zu arrangieren. Die Lösung des Problems ist somit keinesfalls einfach. Weshalb abzuwarten ist, ob und wenn ja für welchen Ersatz sich die Leverkusener Verantwortlichen entscheiden.

Stephan von Nocks