Erst Abpfiff, dann Tor? Die Historie zeigt, dass Real Madrid kein Einzelfall ist. Auch Union Berlin und Brasilien hat dieses Schicksal schon ereilt. Und Karim Benzema.
Wenn der Jubel im Hals steckenbleibt: Zico beim Kopfball, tragische Figur Bellingham, Union beschwert sich.
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Der Ärger über das nicht gegebene Tor von Jude Bellingham in Valencia (2:2) hat die erwarteten Reaktionen bei Real Madrid zutage gefördert. Die Presseabteilung der Königlichen schrieb in Bezug auf den verfrühten Schlusspfiff von Referee Jesus Gil Manzano von einer “noch nie dagewesenen Schiedsrichterleistung”, mit der der Unparteiische “in letzter Sekunde den Sieg von Real Madrid verhinderte”. Carlo Ancelotti ging noch weiter und sprach von “etwas noch nie Dagewesenem”. Womit er allerdings irrte.
Die Partien im Überblick
Auch im deutschen Unterhaus hat es beispielsweise einen ähnlichen Fall schon gegeben, und das ist noch nicht einmal besonders lange her. Im Februar 2018 war der damalige Zweitligist Union Berlin bei Arminia Bielefeld zu Gast. Nach Toren von Unions Steven Skrzybski und Konstantin Kerschbaumer stand es bis zur 95. Minute 1:1, doch eine Chance bekamen die Köpenicker noch. Wie in Valencia wurde eine Standardsituation zunächst geklärt, ehe Marcel Hartel das Leder nochmal in den Strafraum brachte. Arminia-Keeper Stefan Ortega Moreno klärte mit den Fäusten direkt vor die Füße von Skrzybski, der das Leder in einer fließenden Bewegung annahm, abzog und aus 17 Metern traf.
Das Problem: Schiedsrichter Tobias Reichel hatte schon in Skrzybskis Ballannahme hineingepfiffen, die vehementen Proteste halfen natürlich nichts. Kein Tor. “Wenn der Ball im heißen Raum ist, muss man ihn laufen lassen”, sagte Skrzybski nach der Partie, der damalige Union-Coach André Hofschneider war ebenfalls nicht gut auf Reichel zu sprechen: “Entweder pfeife ich weit vorher ab oder lasse durchlaufen.” Jeff Saibene sprach zwar von “Glück” für sein Team, der Arminia-Coach äußerte aber auch Unverständnis, warum bei drei Minuten Nachspielzeit überhaupt noch fast eine Minute draufgeschlagen worden war.
Zico und Brasilien erleben “Unglaubliches”
Schnurstracks ins Tor, und doch kein Treffer: Zico beim Kopfball gegen Schweden.
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Auch bei einem WM-Spiel geschah Vergleichbares, es war allerdings sogar noch extremer als bei Bellingham und Skrzybski. Brasilien traf 1978 im argentinischen Mar del Plata in der Vorrunde auf Schweden. 1:1 hieß es nach Ablauf der regulären Spielzeit, eine Ecke bekam die Selecao aber noch. Das scharf auf den ersten Pfosten getretene Leder köpfte Zico – wohlgemerkt ohne Umwege – wuchtig in die Maschen, doch Referee Clive Thomas aus Wales hatte die Partie abgepfiffen, während der Ball in den Strafraum gesegelt war. Brasiliens Coach Claudio Coutinho sagte daraufhin Worte, die seit dem Wochenende viele sagen: “Unglaublich, so etwas habe ich noch nie erlebt.”
Brasilien rutschte letztlich auch deswegen bei der Zwischenrunde in den selben Topf wie Argentinien und landete wegen des schlechteren Torverhältnisses hinter dem Gastgeber auf Rang zwei, was das Verpassen des Endspiels bedeutete. Dass die abschießende Gruppenpartie der Brasilianer (3:1 gegen Polen) vor der der Argentinier angesetzt worden war und Kempes & Co. so genau wussten, wie hoch sie gegen Peru (6:0) gewinnen mussten, sorgte für zusätzlichen Ärger bei der Selecao, die ungeschlagen ausschied. Nicht nur am Zuckerhut ist man inzwischen der Meinung, dass es bei der WM 1978 nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.
Benzema kann’s verschmerzen – Valladolid nicht
Verschaukelt fühlte sich auch Karim Benzema bei der WM 2014. Die Franzosen führten allerdings schon mit 5:2, ehe der damalige Real-Angreifer das Leder in der Nachspielzeit in den Winkel hämmerte. Der Jubel blieb ihm im Halse stecken, der niederländische Schiedsrichter Björn Kuipers hatte mitten in den laufenden Angriff die Partie abgepfiffen.
Selbst in La Liga ist ein ähnlicher Fall schon vorgekommen, und das vor nicht einmal einem Jahr. Das abstiegsgefährdete Valladolid empfing am 34. Spieltag im Mai 2023 den FC Sevilla. Die vier Minuten Nachspielzeit der ersten Hälfte waren schon abgelaufen, als der Ex-Schalker Sergio Escudero noch mal aus gut und gerne 30 Metern aufs Tor schoss. Mit etwas Torwartmithilfe landete das Leder im Netz, Schiedsrichter Miguel Ortiz hatte aber schon im Schuss zur Pause gepfiffen. Es wäre das 1:0 für Valladolid gewesen.
Letztlich gewann Sevilla die Partie noch mit 3:0, am Saisonende stieg Valladolid ab. Ein einziger Punkt hatte gefehlt, um die Klasse zu halten.