Bayers schwierige Suche nach einem Belocian-Ersatz

Nach dem Kreuzbandriss von Jeanuel Belocian droht Bayer 04 in der Abwehr ein Engpass. Doch einen Ersatz für den Links- und Innenverteidiger zu verpflichten, ist nicht einfach. Zumal reiner Aktionismus dem Double-Gewinner nicht weiterhilft.

Da Jeanuel Belocian nach einem Kreuzbandriss ausfällt, erwägt Bayer, im Winter einen Innenverteidiger zu verpflichten.

Da Jeanuel Belocian nach einem Kreuzbandriss ausfällt, erwägt Bayer, im Winter einen Innenverteidiger zu verpflichten.

IMAGO/Eibner

Als am Montag das Saison-Aus für Jeanuel Belocian aufgrund eines Kreuzbandrisses feststand, mussten die Bosse bei Bayer 04 beraten, wie man auf den Ausfall des 19-jährigen Franzosen reagiert, der sowohl für die linke Außenbahn im 3-4-3 als auch für die Innenverteidigung als Backup eingeplant war. Ausgerechnet in der Dreierabwehrkette hatte das Verletzungspech zugeschlagen, für die Bayer 04 ohnehin nur fünf gelernte Innenverteidiger im Kader hat.

Der Wunsch nach einer Alternative für die Abwehr liegt nahe

Die drei zentralen Abwehrpositionen sind die einzigen, die nicht komplett doppelt besetzt sind. Da aber Sechser Robert Andrich schon wiederholt als “Libero” in der Dreierkette überzeugte, bestanden bislang für Trainer Xabi Alonso genügend Optionen. Bislang. Doch angesichts von drei Hochzeiten, auf den der Double-Gewinner weiterhin tanzt,  ist der Wunsch nach einer weiteren Alternative für die Innenverteidigung nach Belocians schwerer Verletzung logisch. Vor allem, da der flexibel aufgestellte Kader bewusst schlank angelegt wurde, wodurch er bei Ausfällen schneller an seine Grenzen stößt.

Günstig ist es für Bayer, dass der Belocian-Ersatz keine Kopie des 19-jährigen Franzosen darstellen muss. Wäre doch ein Linksfuß mit Qualität, der sowohl innen als auch außen verteidigen kann, gerade im Winter kaum erschwinglich.  Doch im Hinblick auf die kommende Saison wäre es sogar kontraproduktiv, einen Spieler mit demselben Profil fix zu verpflichten. Wären doch dann die Positionen Belocians überbesetzt, wodurch dem Talent nach seiner Rückkehr aus dem Krankenstand der Weg verbaut würde.

Bayer ist nicht auf eine Position in der Dreierkette festgelegt

Anders sieht es auf der zentralen und der rechten Position in der Dreierkette aus. Dort stehen im Sommer personelle Veränderungen bevor: Abwehrchef Jonathan wird den Klub ablösefrei verlassen, der von Paris St. Germain ausgeliehenen Nordi Mukiele in die französische Hauptstadt zurückkehren. Diese zwei Planstellen muss Bayer also ohnehin in naher Zukunft neu besetzen, da derzeit Vieles dafür spricht, dass Atalanta Bergamo die Kaufoption für den aus Leverkusen geliehenen Odilon Kossounou ziehen wird.

Bayer ist also bei der Suche nach dem Belocian-Ersatz nicht auf eine Position in der Abwehrkette festgelegt, was die Aufgabe grundsätzlich erleichtert. Dennoch bleibt diese hoch diffizil. Denn dass der Klub beispielsweise schon im Winter einen gleichwertigen Tah-Nachfolger verpflichten kann, ist äußerst unwahrscheinlich.  Welcher Klub gibt denn zu diesem Zeitpunkt einen so hochkarätigen Abwehrspieler ab und das auch noch zu einem für Bayer 04 erschwinglichen Preis?

Leverkusen kann nicht mit viel garantierter Einsatzzeit locken

Ein Vorgriff bei dem Mukiele-Ersatz erscheint da schon realistischer. Wobei auch hier sich die Frage stellt, ob ein Spieler dieser Qualität im Januar verfügbar und finanzierbar ist. Ein fixer Transfer als Lösung des Innenverteidiger-Engpasses stellt eine große Herausforderung dar. Am ehesten könnte sich dafür eine Tür öffnen, wenn ein unter massivem Verkaufsdruck stehender Klub einen passenden Kandidaten im Kader hätte. Viele Konjunktive und damit ein unwahrscheinliches Szenario.

Und auch bei einer Winter-Leihe stellt sich das Problem, dass Bayer einen Spieler mit hoher Qualität benötigt, dem man aber keinen Stammplatz in Aussicht stellen könnte. Doch gerade die Hoffnung auf mehr Einsatzzeit als beim alten Klub stellt bei Leihgeschäften im Januar oft einen wichtigen Faktor dar.

Der Neue müsste sportlich und charakterlich passen

Klar ist in jedem Fall: Purer Aktionismus ergibt für den Werksklub keinen Sinn. Zudem muss der Neue nicht nur sportlich, sondern auch gerade charakterlich in die Mannschaft passen. Da diesem aufgrund der hochkarätigen und absolut gesetzten Erstbesetzung mit Piero Hincapie, Jonathan Tah und Edmond Tapsoba kein Stammplatz winkt.

Der ideale Kandidat muss also einerseits so viel Qualität mitbringen, um einen Akteur aus diesem Trio ersetzen zu können. Andererseits muss er aber auch bereit sein, sich womöglich die meiste Zeit in dieser Saison mit der Rolle als Ersatz- und bestenfalls Rotationsspieler zu arrangieren. Die Lösung des Problems ist somit keinesfalls einfach. Weshalb abzuwarten ist, ob und wenn ja für welchen Ersatz sich die Leverkusener Verantwortlichen entscheiden.

Stephan von Nocks

Tah und der Sommerwechsel: Die Spur führt nach Barcelona

Dass sich Bayers Abwehrchef Jonathan Tah im nächsten Sommer dem FC Barcelona anschließt, zeichnet sich immer mehr ab. Laut übereinstimmenden Berichten sind die Gespräche zwischen den Katalanen und Tah fortgeschritten.

Steht nach zehn Jahren bei Bayer vor dem Abschied im nächsten Sommer: Jonathan Tah.

Steht nach zehn Jahren bei Bayer vor dem Abschied im nächsten Sommer: Jonathan Tah.

IMAGO/Nordphoto

Im vergangenen Sommer hatten sich die Katalanen noch vergeblich um Bayers Jonathan Tah bemüht, im nächsten Sommer aber könnte es so weit sein: Nach übereinstimmenden Berichten – unter anderem von den katalanischen Zeitungen Mundo Deportivo und Sport sowie Transfer-Experte Fabrizio Romano – sind die Gespräche zwischen dem FC Barcelona und Tah fortgeschritten.

Tahs Beraterseite hüllt sich auf Nachfrage zwar in Schweigen. Dass der deutsche Nationalspieler und der FC Barcelona zusammenfinden und ab der Spielzeit 2025/26 zusammenarbeiten werden, zeichnet sich allerdings immer mehr ab.

Bekanntlich ist Tah im Sommer ablösefrei zu haben. Sein Vertrag bei Double-Sieger Leverkusen läuft nach dieser Saison aus. Dass er ihn nicht verlängern will, bekräftigte sein Berater Pini Zahavi Anfang November: Er werde “zu einem großen Verein gehen”, sagte Zahavi. Und dieser Großklub dürfte nach den jüngsten Entwicklungen der FC Barcelona sein. Nicht der FC Bayern, dem Zahavi seinerzeit “weiter sehr gute Chancen” attestierte.

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Anfang Dezember soll es ein Geheimtreffen gegeben haben

Mit den Münchnern hatte es in diesem Sommer nicht geklappt. Bis zum Ende der Transferperiode hatte sich das Thema gezogen, wobei auch Barcelona ins Werben um den wechselwilligen Verteidiger eingestiegen und an Leverkusens Ablöseforderungen gescheitert war. Das Interesse blieb aber ebenso bestehen wie die große Wertschätzung füreinander. Laut den Berichten aus Spanien soll Tah einen Vertrag bis 2030 bei den Katalanen erhalten.

Anfang Dezember gab es dem Vernehmen nach ein Geheimtreffen zwischen der Tah-Seite und dem FC Barcelona in Köln. Dass Tah selbst dabei war, wie es hieß, dementierte der Innenverteidiger zwar – nicht aber, dass Barcas Sportchef Deco mit Tah-Berater Zahavi zusammensaß.

Dass mit dem früheren Bundestrainer Hansi Flick ein deutscher Coach beim FC Barcelona am Werk ist, wird gewiss kein Nachteil sein, wenngleich Flick während seiner DFB-Zeit auf andere Innenverteidiger gesetzt hatte. Der 28-Jährige konnte sich seither noch mal deutlich steigern, stieg zum extrem stabilen Bayer-Abwehrchef auf und stellte in dieser Saison unter Beweis, auch in der Spieleröffnung einen weiteren Schritt nach vorn gemacht zu haben.

Tah geht bei Bayer völlig unbeeindruckt voran

Vom Wechselthema zeigte sich Tah in den vergangenen Monaten jedenfalls völlig unbeeindruckt. Anfang Dezember sagte Bayer-Trainer Xabi Alonso: “Wir sind froh, dass Jona diese Saison bei uns ist. Seine Einstellung ist top, er hat großen Einfluss auf unser Spiel. Wir brauchen ihn bis zum letzten Tag.” Tah sei ein “Top-Typ” und ein “Top-Leader”. Insofern überraschte es keinesfalls, wie er sich nach dem geplatzten Sommerwechsel verhielt.

Tah geht weiterhin voran, will zur kommenden Saison aber endlich seinen nächsten Karriereschritt vollziehen. Für Leverkusen kommt das nicht überraschend. “Wir sind gut im Austausch gewesen”, sagte der Verteidiger vor ein paar Wochen – und wählte dabei die Vergangenheitsform.

Positiv für die Werkself: Unlängst verlängerte Piero Hincapie bis 2029. Ohne diese Ausweitung des Kontrakts hätte Bayer der Verlust von gleich zwei Stammverteidigern gedroht. Nun würde der Double-Sieger Abwehrkraft Hincapie im nächsten Sommer wohl nur bei einem extrem lukrativen Angebot gehen lassen.

Leon Elspaß

Faszinierend schlicht: Bayer hetzt die Bayern, ohne sich zu hetzen

Seit der Länderspielpause im November hat Bayer 04 wieder richtig Fahrt aufgenommen und Platz 1 wieder im Blick. Bei der Jagd des FC Bayern beeindruckt Leverkusen jetzt auch mit seiner Souveränität. Abwehrchef Jonathan Tah erklärt den Aufschwung des Meisters.

Jonathan Tah und Bayer 04 haben zuletzt wieder einen klaren Kurs eingeschlagen - und wieder Platz 1 im Blick.

Jonathan Tah und Bayer 04 haben zuletzt wieder einen klaren Kurs eingeschlagen – und wieder Platz 1 im Blick.

picture alliance / Eibner-Pressefoto

Es war ein Auftritt ohne Lametta. Wie schon beim 1:0-Sieg gegen Inter Mailand am Dienstag, so packte Bayer 04 auch beim 2:0-Erfolg in Augsburg nicht die ganze große Trickkiste aus. Und dennoch hatte die Leistung, die der deutsche Double-Gewinner ablieferte, etwas Faszinierendes.

Gestaltete Bayer 04 die Partie doch trotz eines ausbleibenden Chancenfestivals so eindeutig, dass Lukas Hradecky nachher von einem “Meisterstück eines Auswärtsspiels” schwärmte. So fest hatte Leverkusen in der Augsburger Arena alles im Griff. “Wir haben alles komplett kontrolliert”, so der Werkself-Kapitän. Und so beklagte auch FCA-Trainer Jess Thorup, dass seine Mannschaft große Probleme gehabt hätte, in Ballbesitz zu kommen. Weil Bayer es über weite Strecken einfach nicht zuließ.

Der Meister besticht wieder durch faszinierende Schlichtheit

In der Tat entwickelt der Meister im Moment wieder eine faszinierende Schlichtheit in seinem Spiel, wenn er endlos scheinende Ballstafetten abspult, die Kugel immer wieder von einer Seite zur anderen wandern lässt, sie immer wieder zwischen die Linien spielt, um dann entweder von dort die Tiefe zu suchen – oder eben den geduldigen Aufbau fortzusetzen, ohne dem Gegner durch leichte Ballverluste Konterchancen zu ermöglichen.

“Wir haben seit der Länderspielpause auf diese Geduld einen Fokus im Training und im Videostudium gelegt. Es muss einfach ein Grundbaustein unseres Spiels sein. Wir sind auch in Momenten geduldig geblieben, wenn wir nicht direkt den Ball erobert haben”, hatte Jonathan Tah nach dem Inter-Spiel erklärt. Und nach dem Sieg in Augsburg ging der starke Abwehrchef ins Detail.

Tah lobt die Geduld: “Das haben wir überragend gemacht”

“Es gibt immer wieder Dinge, die du anpassen kannst. Eine Sache, die wir extrem verbessert haben, ist auf jeden Fall das Gegenpressing”, erläuterte der 28-Jährige, “wenn wir den Ball verlieren, dass wir dann wieder griffig sind. Und auch den Moment erkennen, wenn wir nicht gut ins Gegenpressing kommen, dass wir dann wieder in die Kompaktheit kommen.”

Geduld mit dem Ball und – wenn nötig – auch Geduld gegen den Ball. Bayer offeriert seinen Gegnern viel weniger als noch vor der Länderspielpause. In Gefahr geriet die Werkself defensiv so weder gegen Mailand noch in Augsburg. “In den letzten Spielen haben wir das überragend gemacht”, urteilt Tah, “das ist auf jeden Fall ein Part, warum es im Moment wieder stabiler ist”.

Es ist nicht einfach, vom Kopf her immer wieder dieses Level zu haben.

Jonathan Tah

Trotz der zwischenzeitlich extremen Personalprobleme hat Bayer, anders als andere Topklubs, keinen Einbruch erlitten. Vielmehr feierte der Werksklub seinen siebten Pflichtspielsieg in Serie, lieferte nach einem Highlight unter der Woche in der Champions League seine beste Leistung bei der darauffolgenden Pflichtaufgabe ab. Gerade dies war dem Team von Xabi Alonso nach den Spielen in Rotterdam, gegen Milan, bei Stade Brest und in Liverpool eben nicht gelungen.

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“Es war ein sehr, sehr gutes Spiel von uns”, stellte Tah folglich fest, “es ist nicht einfach, auch vom Kopf her, immer wieder dieses Level zu haben. Wenn du am Dienstag so ein intensives Spiel gegen so einen guten Gegner hast, dass du dann hier in Augsburg, wo es immer schwer ist, so eine Leistung ablieferst. Deswegen bin ich sehr, sehr happy und sehr stolz auf diese Leistung.”

Bayer hat den Rückstand von neun auf vier Zähler verkürzt

Durch den jüngsten Aufschwung ist der Werksklub, der zwischenzeitlich schon mal neun Punkte hinter den Bayern herhinkte, bis auf vier Zähler an die Münchner herangerückt. Doch der Rekordmeister wird beim amtierenden Champion nicht explizit erwähnt. Bayer schaut einzig auf sich, auf das, was man selbst beeinflussen kann. So wie im Meister-Jahr.

“Wir fokussieren uns voll und ganz auf das, was unsere Aufgaben sind. Heute war unsere Aufgabe, hier ein gutes Spiel abzuliefern und die drei Punkte mit nach Hause zu nehmen”, betonte Tah, dass man nur bei sich bleibe, “alles andere ist so, wie es ist”. Und spielt dem Meister nach seiner Rückkehr zu der faszinierenden Schlichtheit voll in die Karten.

Stephan von Nocks

Bisseck zollt Leverkusen Respekt, lässt eine Frage aber unbeantwortet

Ein insgesamt zu passiver italienischer Meister hat in Leverkusen spät noch eine Niederlage kassiert. “Maximal unglücklich” nannte das der in Köln geborene und dort zum Profi gereifte Yann Bisseck, der den Gegner aber auch loben musste.

Stand am Ende mit seinem Team als Verlierer auf dem Platz - und das als gebürtiger Kölner: Yann Bisseck.

Stand am Ende mit seinem Team als Verlierer auf dem Platz – und das als gebürtiger Kölner: Yann Bisseck.

IMAGO/Beautiful Sports

Yann Aurel Bisseck hat sich mit erst 24 Jahren zum Stammspieler von Inter Mailand entwickelt und seinen ohnehin längst steilen Karriereweg mit diesem Schritt auf ein neues Level gehoben.

Am Dienstagabend beim Gastspiel der Nerazzurri in Leverkusen trat der Innenverteidiger schon zum neunten Mal in der Champions League auf den Rasen. “Viel besser wird’s als Fußballer nicht, vielleicht noch eine Weltmeisterschaft”, sagte Bisseck kurz nach der spät kassierten 0:1-Niederlage am DAZN-Mikrofon. Bezüglich seiner Rolle als gesetzter Akteur neben Größen wie Alessandro Bastoni sei er “einfach nur froh, auf diesem Niveau angekommen zu sein und solche Spiele machen zu dürfen”.

Bescheiden fügte der Abwehrmann noch an: “Ich hab trotzdem noch viel Verbesserungspotenzial. Aber fürs Erste – glaube ich – mach ich meine Sache ganz gut.”

Weniger gut für ihn und den italienischen Meister, der mit einem Torverhältnis von 7:0 und als Tabellenzweiter dieser neuartigen Champions League in die BayArena gekommen war: der kassierte Treffer in der 90. Minute durch Nordi Mukiele, das damit verbundene erste Gegentor und die erste Niederlage in dieser CL-Saison. Zugleich verpassten die Lombarden so auch einen neuen Rekord in der Königsklasse: Noch nie startete ein Team mit null Gegentoren an den ersten sechs Partien einer CL-Saison.

Inters Leistungsnachweis: “ein bisschen zu passiv”

Sowohl Namensvetter Yann Sommer (“Wir haben uns nicht viele gute Möglichkeiten herausgespielt und Leverkusen ist mit Ball unglaublich, übt viel Kontrolle aus”) als auch Bisseck selbst mussten allerdings zugeben, dass Leverkusens Mannschaft über den gesamten Spielverlauf hinweg das bessere Team war.

“Irgendwann musste es passieren, dass wir mal ein Gegentor bekommen”, stieg Bisseck in die Spielanalyse ein, um offen zu ergänzen: “Man muss dem Gegner aber auch einfach Respekt zollen, sie haben uns teilweise sehr lange hinten reingedrückt. Und wir haben mit Ball unser Spiel nicht aufgezogen bekommen. Ein Gegentor in der 90. Minute seit natürlich immer “maximal unglücklich. Man muss aber auch sagen: Wenn Leverkusen den Ball hatte, dann haben sie ihn echt gut laufen lassen. Das ist dann sehr anstregend für uns, da fehlt, wenn wir den Ball erobern, auch die Kraft für einen sauberen Konter. Wir haben am Ende einfach ein bisschen zu passiv gespielt.”

Kölner Bisseck geht in Leverkusen leer aus

mehr zu Yann Aurel Bisseck

Und am Ende eben mit 0:1 verloren. In Leverkusen. Im Rheinland. Nur knapp 18 Kilometer entfernt von Köln. Bissecks Geburtsstadt, wo der 2000er Jahrgang beim hiesigen “Effzeh” zwischen 2007 und 2019 ausgebildet und zum Profi aufgestiegen war, ehe nach diversen Leihstationen der Wechsel zum dänischen Erstligisten Aarhus und schließlich der Schritt zum FC Internazionale anstand.

Womöglich tat Bisseck deswegen eine Pleite gegen die Werkself doppelt weh. Oder? Seine Antwort versehen mit einem breiten Grinsen: “Das lasse ich lieber unbeantwortet.”

Der kleine Trost für ihn und seine italienischen Mannschaft: Mit weiterhin 13 Punkten auf der Habenseite – genauso viele wie Leverkusen (Jonathan Tah: “Wir sind in einer Top-Ausgangslage für die letzten beiden Spiele”) – steht Inter immer noch prächtig da im Rennen um die direkte Qualifikation fürs Achtelfinale der Königsklasse (Plätze eins bis acht).

Xabi Alonso adelt Rückkehrer Calhanoglu: “So wichtig, wie es Kimmich für Bayern sein könnte”

Am Dienstag steht Bayer mit Inter Mailand eine der schwersten Prüfungen in der Champions League bevor. Bei Italiens Meister hat sich Ex-Bayer-Profi Hakan Calhanoglu zu einem Topspieler entwickelt, der Leverkusen als Zehner verließ und als Stratege zurückkehrt.

Kehrt als Stratege nach Leverkusen zurück: Hakan Calhanoglu.

Kehrt als Stratege nach Leverkusen zurück: Hakan Calhanoglu.

IMAGO/sportphoto24

Wenn der italienische Meister am Dienstagabend in der BayArena antritt, trifft Bayer 04 auf eine Mannschaft, in deren Kader eine ganze Menge Bundesliga steckt. Acht Akteure von Inter Mailand haben in ihrer Karriere bereits in Deutschland gespielt: Yann Sommer (FC Bayern, Gladbach), Yann Aurel Bisseck (Köln), Benjamin Pavard (Stuttgart, Bayern), Henrikh Mkhitaryan (BVB), Marko Arnautovic (Bremen), Marcus Thuram (Gladbach), Josep Martinez (Leipzig) und  – Hakan Calhanoglu.

Der türkische Nationalspieler, der von 2014 bis 2017 für den Werksklub kickte, steht vor seiner Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. Und Leverkusens Abwehrchef Jonathan Tah schickt direkt einen Gruß an den ehemaligen Mitspieler. Bis jetzt habe er noch keinen Kontakt zu Calhanoglu gehabt, denn: “Ich warte, bis er hier ist. Er soll nicht zu viel denken, dass wir …”, sagt Tah und schiebt hinterher: “Nachher können wir wieder Freunde sein.”

Xabi Alonso lobt Calhanoglus Entwicklung zum Strategen

Tah freut sich auf das Wiedersehen mit dem Mittelfeldspieler, dessen Karriere in Mailand Leverkusens Trainer Xabi Alonso höchsten Respekt abnötigt. “Es geht nicht um Einzelspieler, aber dieser individuelle Spieler hat natürlich einen sehr großen Impact auf das Spiel. Nicht nur wegen seiner Schussstärke – die ist nur die Konsequenz aus vielen Dingen, die er gut macht. Er hat sich großartig entwickelt”, urteilt der Spanier.

Aus dem Offensivakteur, der vor allem durch seine Schussstärke auffiel, ist ein Stratege geworden. “Ich kann mich daran erinnern, dass er noch mehr als eine Nummer 10 gespielt hat. Jetzt mit den Jahren – es passiert oft, wenn Spieler älter werden, dass sie mmer weiter nach hinten wandern – spielt er als Sechser, der seine Position hält”, beschreibt Xabi Alonso die Genesis des inzwischen 30-Jährigen.

Er ist jetzt 30 Jahre alt, aber in der Topform seiner Karriere.

Xabi Alonso

Durch die über die Jahre neu entwickelte Rolle, kommt Calhanoglu auch eine besondere Bedeutung im Inter-Spiel zu. “Er hatte schon immer eine großartige Technik, schlägt sehr gute Diagonalpässe und Standards und schießt von außerhalb des Strafraums sehr gut. Abgesehen davon ist es sein großartiges Spielverständnis, seine Bedeutung für das Spiel”, erklärt der frühere Weltklasse-Sechser.

Den Türken sieht er als ein, wenn nicht gar das entscheidende Element. Und so adelt Xabi Alonso den Rückkehrer: “Er ist ein Schlüsselspieler für sie – so wichtig, wie es Kimmich für Bayern sein könnte. Diese Art von Spieler. Er hat diesen großen Einfluss bei Inter für das Kollektiv, aber er zeigt dort sein persönliches hohes Level. Er ist jetzt 30 Jahre alt, aber in der Topform seiner Karriere.” Und damit ein Faktor, den Bayer 04 als Team am Dienstag aus dem Spiel nehmen muss.

Stephan von Nocks

Tah und Bayer gegen Inter mit Ziel Achtelfinale

Leverkusen darf weiter auf den Einsatz von Patrik Schick gegen Inter hoffen. Beim Abschlusstraining war der angeschlagene Stürmer jedenfalls dabei. Unabhängig davon nimmt Abwehrchef Jonathan Tah die Qualifikation fürs Achtelfinale ins Visier.

Möchte auch gegen Inter jubeln und einen großen Schritt Richtung Achtelfinale machen: Jonathan Tah.

Möchte auch gegen Inter jubeln und einen großen Schritt Richtung Achtelfinale machen: Jonathan Tah.

IMAGO/Jan Huebner

Der Respekt vor dem Gegner ist groß. Natürlich. Kommt am Dienstag doch Inter Mailand in die BayArena, der amtierende italienische Meister, der auch aktuell wieder mit einem Spiel und drei Punkten weniger als Spitzenreiter Atalanta Bergamo national um den Titel kämpft. In der Königsklasse stehen die Italiener hinter dem FC Liverpool auf Platz 2 der Tabelle und könnten sich mit einem Sieg und dann 16 Zählern einen Platz unter den Top-8 so gut wie sichern.

Kein Wunder also, dass Leverkusens Trainer Xabi Alonso von einem “Top-Top-Gegner” spricht. Und auch in den Worten von Jonathan Tah klingt eine gehörige Portion Respekt vor den Mailändern mit. “Jeder weiß, wie unangenehm italienische Mannschaften grundsätzlich zu bespielen sind, aber gerade Inter ist einfach sehr, sehr gut besetzt auf allen Positionen und hat international gezeigt, was in ihnen steckt”, weiß Leverkusens Abwehrchef um die Schwere der Aufgabe. “Es wird ein schwieriges Spiel, aber jeder, der in die BayArena kommt, weiß auch,  dass es gegen uns nicht einfach ist.”

Wir erwarten ein Spiel auf sehr hohem Niveau.

Jonathan Tah

Die Kombination aus mannschaftstaktischer Reife und individueller Klasse wird für den deutschen Double-Gewinner zu einer Herausforderung. Umgekehrt ist man sich in Leverkusen nach zuletzt fünf Pflichtspielsiegen in Serie auch der eigenen Stärke bewusst. “Inter ist natürlich eine Top-Mannschaft. Deswegen erwarten wir einfach ein Spiel auf sehr, sehr hohem Niveau”, sagt Tah und betont: “Und auch da wollen wir erfolgreich sein.”

Denn Bayers Ziel nach bereits zehn Punkten aus den ersten fünf Partien und noch zwei ausstehenden Heimspielen (neben Inter noch Sparta Prag) ist eindeutig der direkte Einzug in Achtelfinale, wofür der derzeitige Tabellensechste unter den ersten acht Mannschaften landen muss.

Das räumt auch Tah ein, wenn auch erst auf Nachfrage. “Wir sind grundsätzlich in einer guten Ausgangslage. Jetzt versuchen wir einfach, so viele Punkte wie möglich zu holen. Wir werden sehen, wie es am Dienstag ist, aber wir haben danach auch noch zwei Spiele”, sagt der 28-Jährige erst noch zurückhaltend. “Am Ende ist natürlich klar, dass wir weiterkommen wollen.”

Die Play-offs dürfte Bayer aber schon so gut wie sicher haben. Und so bekennt Tah dann doch noch eindeutig Farbe zu Bayers wahren Ambitionen. Ein Platz unter den Top-8 sei “absolut” das Ziel, so Tah, “es ist ja alles möglich.”

Schick hat seine Wadenprobleme wohl überstanden

Dabei darf Bayer 04 weiter auf den Einsatz von Patrik Schick hoffen. Der Mittelstürmer, der am Dienstag im DFB-Pokal-Achtelfinale bei Bayern München (1:0) mit Wadenproblemen ausgewechselt werden musste und am Samstag beim 2:1 gegen St. Pauli fehlte, begann jedenfalls das Abschlusstraining am Montagmittag.

Während der ersten 15 Minuten, die die Medienvertreter beobachten durften, war keine Einschränkung für den 28-Jährgen zu erkennen. Gibt der Angreifer grünes Licht für einen Einsatz, bleibt abzuwarten, ob Trainer Xabi Alonso auf den Neuner setzt – oder erneut gegen ein Topteam auf die bei ihm beliebte Variante ohne echten Mittelstürmer.

Stephan von Nocks

Tah über Zukunftsfrage: “Entscheidung erst im neuen Jahr”

Jonathan Tah war am Samstagnachmittag beim Spiel von Bayer Leverkusen gegen den FC St. Pauli (2:1) sowohl auf, als auch neben dem Platz immer wieder im Fokus: Auf dem Feld nicht nur wegen seines Tores, daneben aufgrund diverser Zukunftsfragen.

Im Spiel gegen St. Pauli mehrfach und auch in Sachen Transfergerüchten derzeit im Fokus: Jonathan Tah.

Im Spiel gegen St. Pauli mehrfach und auch in Sachen Transfergerüchten derzeit im Fokus: Jonathan Tah.

IMAGO/Jan Huebner

Jonathan Tah wirkte zufrieden. Zum einen hatte der Abwehrspieler der Werkself beim 2:1-Erfolg am Samstagnachmittag einen der beiden Treffer seines Teams beigesteuert. Zum anderen hatte der Titelverteidiger den fünften Sieg in Serie eingefahren – auch wenn es am Ende gegen den Aufsteiger durchaus noch einmal eng geworden war.

“Das war wichtig nach diesem Topspiel, auf das natürlich alle bei uns sehr heiß gewesen sind”, spielte Tah bei Sky auf den Auswärtserfolg im Pokal in München unter der Woche an. Dass es nach dieser Partie – wenngleich mit ein wenig Mühe – auch im Alltag Bundesliga wieder mit dem Siegen klappte, stimmte Tah ebenfalls fröhlich: “Da muss man zeigen, dass man eine Topmannschaft ist. Das haben wir auch geschafft.”

Tah: “Habe mich mit niemandem getroffen”

Hinsichtlich der aufgekommenen Gerüchte, dass mit dem FC Barcelona ein neuer heißer Kandidat auf die Dienste Tahs, dessen Vertrag in Leverkusen Ende Juni 2025 ausläuft, ins Spiel gekommen sei, zeigte sich dieser diplomatisch: “Ich habe mich mit niemandem getroffen”, schloss Tah zumindest eine persönliche Beteiligung an einem Gespräch mit Verantwortlichen der Katalanen aus. Ein Dementi bezüglich eines Treffens von Barcelonas Sportchef Deco und seinen Beratern gab es derweil nicht.

Eine rasche Entscheidung hinsichtlich seiner Zukunft schloss Tah allerdings aus. “Ich lasse mir damit sehr viel Zeit. Ich verstehe, dass da gerade viel spekuliert wird”, sagte der 28-Jährige. “Für mich ist klar, dass ich meine Entscheidung irgendwann im nächsten Jahr treffen werde.” Einen neuen Vertrag bei einem anderen Klub unterschreiben darf Tah indes ohnehin erst ab Januar, ein halbes Jahr vor Ende seines Kontraktes.

Bayer und Tah betonen gegenseitige Wertschätzung

Von Seiten der Rheinländer gibt es weiter keinen Druck. “Für Jona ist die Tür bei uns offen, und das weiß er. Natürlich ist die Situation so, dass der Vertrag ausläuft und er im Normalfall geht”, erklärte Simon Rolfes, schob aber nach: “Aber im Fußball ändern sich auch manchmal Sachen.”

“Ich weiß es sehr zu schätzen, dass sie die Tür immer noch nicht zumachen”, sagte derweil der Nationalspieler in Richtung seines Geschäftsführers Sport sowie Leverkusens CEO Fernando Carro. “Wir sind gut im Austausch gewesen”, bekräftigte er – und wählte dabei die Vergangenheitsform.

Tah im Sommer weg? Xabi Alonso: “Brauchen ihn bis zum letzten Tag”

Gerüchte um Abschied aus Leverkusen 06.12.2024

Tah im Sommer weg? Xabi Alonso: “Brauchen ihn bis zum letzten Tag”

1:15Vor dem Bundesliga-Spiel gegen den FC St. Pauli wurde Leverkusen-Trainer Xabi Alonso zu den Wechselgerüchten um Innenverteidiger Jonathan Tah gefragt und erklärte, dass diese für ihn aktuell unwichtig seien.

Barca-Sportdirektor Deco baggert an Tah: Was für die Katalanen spricht

Bereits im August klopfte der FC Barcelona bei Bayer wegen Jonathan Tah an. Jetzt hat sich Sportdirektor Deco nach übereinstimmenden Medienberichten mit Leverkusens Abwehrchef getroffen und soll gute Karten im Rennen um den Nationalspieler haben.

Ist sein Treffen mit Deco mehr als ein erster Fingerzeig für die Zukunft von Jonathan Tah?

Ist sein Treffen mit Deco mehr als ein erster Fingerzeig für die Zukunft von Jonathan Tah?

IMAGO/DeFodi Images

Dass das Thema in den letzten Wochen des Jahres heiß läuft, war zu erwarten. Wohin wechselt Jonathan Tah nach dieser Saison, wenn sein Vertrag beim Double-Gewinner Bayer 04 Leverkusen ausläuft? Zum FC Bayern München, dem Tah-Berater Pini Zahavi zuletzt weiterhin gute Chancen attestiert hatte? In die Premier League, dem eigentlichen Wunschziel des Innenverteidigers? Oder doch zum FC Barcelona?

Mit dessen Sportdirektor Deco hat es nach übereinstimmenden Medienberichten am Donnerstag ein Treffen in Deutschland gegeben, an dem neben Tahs Beratern auch der Profi selbst teilgenommen haben soll. Dass Transfer-Experte Fabrizio Romano das Thema aufgriff, nachdem eine relativ unbekannte spanische Quelle zuerst darüber berichtet hatte, lässt kaum noch Zweifel am Wahrheitsgehalt der Meldungen bestehen.

Barca in der Pole Position? Vieles spricht dafür

Die Gespräche sollen positiv verlaufen sein. Demnach liege Barca nach diesen in der Pole Position im Rennen um den Leverkusener Abwehrchef. Was bei Betrachtung der Fakten schlüssig erscheint. Und das nicht nur, weil aus Barcelona, anders als München, nichts bekannt ist, was darauf hindeutet, dass es unterschiedliche Einschätzungen zu der Causa Tah gibt.

So baggerte Deco bereits im August an dem 28-Jährigen, versuchte, diesen kurz vor Transferschluss bei Bayer 04 loszueisen. Ein Vorhaben, das an der Ablöseforderung des Werksklubs scheiterte. Diese lag damals bei 25 Millionen Euro plus fünf Millionen Euro an Boni.

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Pokal-Aus! Wie gut ist Bayern wirklich?


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Decos Werben im Sommer belegt seine Wertschätzung für Tah

Decos damaliges Bemühen um Tah signalisierte dem Nationalspieler aber schon damals hohe Wertschätzung. Wäre Barca doch bereit gewesen, eine Ablöse (wohl im Bereich von 20 Millionen Euro) zu zahlen. Dass die Katalanen jetzt nicht zum ersten Mal ihr Interesse an Tah deutlich hinterlegen, wo dieser im Sommer ablösefrei zu haben ist, spricht genauso für den FC Barcelona wie dessen Status als absoluter Topklub in Europa.

Dass mit dem früheren Bundestrainer Hansi Flick ein Deutscher aktuell die Katalanen coacht, sollte sich auch nicht als Nachteil darstellen. Auch wenn Flick zu seiner Zeit beim DFB auf andere Innenverteidiger setzte als Tah, der sich aber inzwischen nochmal deutlich weiterentwickelt hat. Umgekehrt wäre für das finanziell nicht auf Rosen gebettete Barca die ablösefreie Verpflichtung des Abwehrspielers hilfreich – sportlich wie finanziell.

Die Berater-Konstellation dürfte Barca nicht schaden

Die Berater-Seite von Tah hüllt sich zu den Berichten komplett in Schweigen. So scheint nur eines gesichert: Nämlich, dass der Verteidiger im Sommer 2025 nach zehn Jahren beim Werksklub Bayer 04 verlassen wird. Bekräftigte doch jüngst sein Agent nochmal ausdrücklich, dass Tah im Sommer zu einem großen Verein gehen werde.

Für Barca könnte dabei die Berater-Konstellation zumindest kein nachteiliger Faktor werden: Vertritt Pini Zahavi doch nicht nur die Interessen Tahs, sondern fädelte im Sommer auch das Engagement von Flick als Coach des FC Barcelona ein.

Stephan von Nocks

Zwischen “Flo” und Flow: Bayer fühlt sich wieder im Meister-Modus

Vier Siege in Serie und jetzt im DFB-Pokal den Topfavoriten in München ausgeschaltet – bei Bayer 04 Leverkusen macht sich wieder das Gefühl der Stärke aus der Vorsaison breit. Und dafür gibt es gute Gründe.

Florian Wirtz und Bayer 04 trotzen wieder den Widerständen.

Florian Wirtz und Bayer 04 trotzen wieder den Widerständen.

picture alliance/dpa

Auf einmal ist es wieder da. Und diesmal so nachhaltig wie noch nie zuvor in dieser Spielzeit. Dieses Gefühl bei Spielern und Verantwortlichen von Bayer 04, wieder im Modus der vergangenen Saison zu sein. Im Meister-Modus mit all seiner Konsequenz, seiner Energie, seinem Selbstvertrauen und dem daraus resultierenden Erfolg.

Nach dem 0:0 gegen den VfB Stuttgart am 1. November, als Bayer 04 trotz der Nullnummer eine bärenstarke Leistung ablieferte und sogar deutlich hätte gewinnen können, hatte ein Spieler wie Granit Xhaka, der nicht zu verfrühter Euphorie neigt, schon das Comeback des alten Geistes erkannt. Doch die anschließende 0:4-Klatsche beim FC Liverpool trübte diesen Eindruck. Der dann durch das enttäuschende 1:1 in Bochum endgültig konterkariert schien.

Die Klatsche in Liverpool relativiert sich mit Reals und ManCitys Auftritt dort

Doch die 0:4-Packung in Liverpool relativiert sich inzwischen mit jeder Niederlage eines anderen europäischen Topteams wie Real Madrid (0:2) und Manchester City (0:2), die an der Anfield Road ebenfalls chancenlos waren. Nimmt man zu den jüngsten Auftritten noch die starke erste Hälfe von Bayer 04 in Liverpool hinzu, zu der weder Real noch ManCity bei ihren hochverdienten Niederlagen imstande waren, präsentiert der Werksklub wieder eine enorme Bandbreite an Qualitäten und gewinnt eben auch wieder die engen Spiele wie am Dienstag in München.

“Die Ergebnisse sind aktuell sehr gut. In der Bundesliga und auch in der Champions League haben wir es sehr gut gemacht mit vielen Toren. Heute war es spieltechnisch nicht gut von uns, aber das zählt ja auch nicht”, urteilte Nationalspieler Robert Andrich nach dem 1:0-Sieg in München, “wir sind wieder so drauf, dass wir sagen, wir gewinnen auch die dreckigen Dinger. Das ist auch entscheidend.”

Diese essentiell wichtige Fähigkeit scheint zurück, die Kehrtwende vollzogen. Davon ist jedenfalls Abwehrchef Jonathan Tah überzeugt. “Wir haben akzeptiert, dass es einfach nicht so wie in der letzten Saison geht, dass es gefühlt wie von selber passiert, dass wir jedes Spiel drehen, wenn wir im Rückstand sind, sondern dass wir uns das und auch das Glück wieder erarbeiten müssen”, erklärt der 28-Jährige.

Jetzt haben wir diesen Turnaround geschafft.

Jonathan Tah

Inzwischen ist Bayer 04 wieder konstant in die Spur gekommen. Zerlegte den FC Heidenheim (5:2) und in der Champions League Salzburg (5:0) mit spielerischer Brillanz, siegte als erstes Team der Liga in dieser Saison an der Alten Försterei, erzielte dort als bislang einziges Team mehr als einen Treffer bei einem kühl berechneten Erfolg. Und legte jetzt in München nach.

Die Demut ist zurückgekehrt und der Unterschied nicht nur aus Tahs Sicht greifbar. Zuvor habe man eine Phase erlebt, “in der wir nicht katastrophal gespielt haben, aber in der wir zu viele Gegentore gekriegt haben, in den letzten Minuten nicht konsequent genug waren und noch den Ausgleich bekommen haben. Damit sind wir erwachsen umgegangen und haben jetzt diesen Turnaround geschafft, um jetzt diese Spiele zu gewinnen und weniger Gegentore zu kriegen”, erklärt der in München herausragende Abwehrchef.

Die Bilanz gegen Bayern hat Kräfte freigelegt und wird dies erneut tun

Woraus das nächste Symptom einer Titeltauglichkeit wieder freigelegt wurde: In den jüngsten sieben Partien auf nationaler Ebene kassierte Bayer insgesamt nur vier Gegentreffer, behielt vier Mal eine weiße Weste. Der Glaube an die eigene Stärke ist zurück. In der Double-Saison kassierte Bayer in der Liga insgesamt nur 24 Treffer. Dass die Trendwende ausgerechnet mit einem Zu-null-Erfolg beim bisherigen Überflieger dieser Bundesligasaison, dem FC Bayern, ihren bisherigen Höhepunkt erlebte, ist dafür bezeichnend.

Die Fragezeichen aus dem ersten Saisondrittel sind bis zur Unkenntlichkeit verblasst, das alte Selbstverständnis zurück. Der Sieg in München hat sein Übriges dazu getan. Es war das fünfte Spiele ohne Niederlage gegen den FC Bayern in Serie, der dritte Sieg in diesen – alle unter Xabi Alonso bestrittenen –  Partien. Eine Bilanz, die bereits Kräfte freigelegt hat und dies nach dem jüngsten Erfolgserlebnis gegen die Münchner erneut tun wird.

Das hat sehr viel mit dem Kopf zu tun.

Jonathan Tah

Der Double-Gewinner, der in den jüngsten 74 Pflichtspielen nur drei Niederlagen erlitt und in der aktuellen Spielzeit von 21 Partien nur die in Liverpool und gegen Leipzig (2:3) verlor, hat diese Attitüde wiederentdeckt, strahlt wieder Überzeugung von der eigenen Stärke aus. Selbst gegen einen Kontrahenten wie die Bayern.

“Wir spielen einfach mit sehr viel Selbstbewusstsein”, erklärt Tah den psychologischen Schlüssel zum Erfolg gegen den Rekordmeister, “es hat sich ein gewisses Selbstverständnis entwickelt, dass wir eben keine Angst haben und mutig sind, dass wir versuchen, unser Spiel zu machen. Das hat sehr viel mit dem Kopf zu tun, mit Selbstbewusstsein. Natürlich haben wir dann auch die Qualität, um auf diesem Niveau mitzuhalten.”

In München gelang dies, obwohl Topstar Florian  Wirtz, anders als in den drei Partien zuvor, nicht den spielentscheidenden Part übernahm. Der neue Flow, den Simon Rolfes “auf alle Fälle” konstatiert,  ging auch ohne einen Auftritt  des von allen nur “Flo” genannten Ausnahmekickers weiter.

Rolfes betont die Mentalität

So betonte der Geschäftsführer die zurückgewonnene psychische Stärke und damit auch die Stabilität als Team. “Dass wir Qualität und auch die Mentalität haben und die Stärke, auch schwierige Situationen trotzdem zu lösen – das haben wir auch heute gezeigt. Wenn du merkst, dass es mit Ball nicht so top läuft, dann stehst du gut, verteidigst stabil.”

Das vielleicht letzte Fragezeichen besteht darin, dass Bayer in München trotz über 70-minütiger Überzahl die Partie offensiv nicht wie gewohnt zu dominieren verstand. Jetzt muss die Mannschaft ihren Flow bis zum Jahresende aufrecht erhalten. Um dieses Gefühl nachhaltig zu verfestigen und im neuen Jahr dann auch dem Titelkampf in der Liga noch eine neue Note zu verleihen.

Stephan von Nocks