Wie Doan aus einem ernsten Gespräch mit Streich gelernt hat

Die nach dem 1:4 gegen Leipzig überraschend unveränderte Freiburger Defensive hielt in Darmstadt die Null. Den 1:0-Arbeitssieg sicherte bei mäßiger Offensivleistung ein SC-Profi, der auf beiden Seiten glänzte und sich ein ernstes Gespräch mit dem Trainer zu Herzen genommen hat.

Ritsu Doan zeigte in Darmstadt eine reife Leistung auf der rechten Außenbahn.

Ritsu Doan zeigte in Darmstadt eine reife Leistung auf der rechten Außenbahn.

picture alliance / Eibner-Pressefoto

Das war so nicht zu erwarten. Christian Streich nominierte inklusive der Doppelsechs und den Schienenspielern am Sonntag die gleiche Siebener-Defensive, die er nach dem 1:4 gegen Leipzig noch völlig zu Recht deutlich kritisiert hatte.

Also gab auch Aushilfsabwehrmann Yannik Keitel in Darmstadt wieder den Mittelmann einer Dreierkette, nachdem vor allem er gegen die Sachsen schlecht ausgesehen hatte. Man habe unter der Woche die Fehler und die daraus resultierenden Aufträge klar besprochen, sagte Keitel am Sonntag: “Die innere Linie und die Tiefe besser sichern und besser kommunizieren.”

Beim Tabellenletzten gelang dem Team defensiv eine Steigerung, was natürlich auch am großen Qualitätsunterschied der beiden jüngsten Gegner lag: “Leipzig ist offensiv, vor allem mit dem Tempo, schon eine Hausnummer”, räumte Keitel ein, betonte aber auch die eigenen Verbesserungen: “Wir waren wacher, haben die Tiefe besser gesichert und uns gegenseitig unterstützt.”

Offensivspiel auf mäßigem Niveau

Anders als am Spieltag davor stach Keitel diesmal in positiver Hinsicht innerhalb der Dreierkette heraus, die bereits beim 3:0-Sieg in Gladbach gut funktioniert hatte. Keitel gewann in Darmstadt trotz Größennachteils viele Kopfballduelle und brachte als gelernter Sechser auch immer wieder seine Stärken im Aufbau ein. Dafür bewegte sich das Freiburger Offensivspiel auf mäßigem Niveau, teilweise unter dem Level bei der deutlichen Niederlage gegen Leipzig.

“Mit dem Ball müssen wir es besser ausspielen, noch ballsicherer und klarer sein, dass wir den Gegner noch mehr laufen lassen, um selbst darüber mehr Luft zu holen. Am Ende müssen wir auch die Tore machen”, bestätigte Keitel diesen Steigerungsbedarf, resümierte aber mit einem Schmunzeln: “Alles in allem steht die Null, wir haben drei Punkte und sind happy.”

Komplimente für Doans lehrbuchreife Leistung als Schienenspieler

Bei wem er sich vor allem dafür zu bedanken hatte, wusste Keitel genau. In dem “Kampfspiel” sei das erste und letztlich einzige Tor “extrem wichtig” gewesen. Erzielt hat es Ritsu Doan. Der japanische Nationalspieler zeigte in der ersten Hälfte eine lehrbuchreife Leistung als rechter Schienenspieler.

Doan war defensiv präsent und mitentscheidend. Vor allem als er per Vollsprint in der 27. Minute noch zu Aaron Seydel aufschloss und ihn kurz vor der Torlinie bedrängte. Auch deswegen konnte Darmstadts Stürmer die Hereingabe von Oscar Vilhelmsson nicht verwerten. Vorne bereitete Doan zwei Chancen von Michael Gregoritsch vor und traf nach Doppelpass mit dem österreichischen Nationalspieler mit seinem starken linken Fuß sehenswert ins lange Eck.

“Das übt er echt oft im Training, immer wieder nach innen ziehen und aufs lange Eck schießen”, erzählte Keitel und sprach Doan ein großes Kompliment aus: “Er ist seit Wochen super, er marschiert gegen den Ball und ist in den Zweikämpfen richtig griffig. Da hat er extrem viel dazugelernt und ist für uns da außen sehr wichtig.”

Streich sagte zu Doan: “So kommst du nicht weiter!”

Streich hatte Doan bereits auf der Pressekonferenz vor der Partie gelobt. In einem ernsten Gespräch habe er dem etablierten Nationalspieler, der bei der WM 2022 mit seinem Tor zum deutschen Vorrundenaus beigetragen hatte, noch vor dem Asien-Cup im Januar 2024 klipp und klar gesagt: “So kommst du nicht weiter!”

Der SC-Coach forderte defensiv ein anderes Auftreten vom quirligen Dribbler, der laut Streich die gleiche Schwäche auch bei Japans überraschend frühem Ausscheiden beim Asien-Cup erkannt hat: “Ritsu musste sein Spiel ein Stück weit verändern und ich habe gewusst, dass er das kann. Er ist ein sehr guter Fußballer, sehr beweglich mit einem super Drehmoment, er ist nicht groß, hat aber Kraft und Leichtfüßigkeit. Er musste anders in die Zweikämpfe gehen”, erklärte Streich am Sonntag.

Schön sei, dass Doan dies inzwischen schon länger auf dem Rasen umsetze: “Interessanterweise macht er jetzt auch wieder Tore, seit der defensiv präsenter ist als vorher.” Vier Treffer und ein Assist sind es in den neun Ligaauftritten seit dem Asien-Cup, davor kam Doan auf nur einen Treffer und eine Vorlage in 16 Ligaeinsätzen.

Nur in den sechs Europa-League-Gruppenspielen (2 Tore, 3 Assists) stimmte schon vor der Winterpause die Effektivität beim gelernten Offensivspieler. Durch sein goldenes Tor in Darmstadt hat der 1,72-Meter-Mann die Chancen auf das dritte Freiburger Europacup-Ticket in Serie deutlich erhöht. Keitel, der im Sommer ablösefrei nach Stuttgart wechselt, wird mit dem VfB wahrscheinlich sogar in der Königsklasse aufschlagen.

Carsten Schröter-Lorenz

Höler-Ersatz muss “gegen den Ball Präsenz zeigen”

Lucas Höler gehört auch in dieser Saison zu den Konstanten beim SC Freiburg. Im Auswärtsspiel beim SV Darmstadt 98 (Sonntag, 15.30 Uhr) wird er erstmals in dieser Saison fehlen. Wer ihn ersetzen soll, ließ Trainer Christian Streich offen.

Fehlt erstmals in der Saison: Lucas Höler.

Fehlt erstmals in der Saison: Lucas Höler.

IMAGO/Sportfoto Rudel

Bei der 1:4-Niederlage gegen Leipzig hat Höler seine fünfte Gelbe Karte gesehen, und kann dementsprechend beim Spiel seines Teams in Darmstadt nur zuschauen. Zuletzt stand der Stürmer dreimal in Folge in der Startelf, wie meistens in dieser Saison: In 23 Spielen hat er begonnen, fünfmal wurde er eingewechselt. Auf sieben Tore und drei Vorlagen kam der 29-Jährige dabei. Allerdings wird er beim Sport-Club nicht nur an seinen Scorerpunkten gemessen, er wird auch für seine Zweikampfhärte und Laufbereitschaft geschätzt.

Deswegen verwundert es auch nicht, dass Streich vor allem auf das Anforderungsprofil zu sprechen kommt, als es um den Ersatz für Höler in Darmstadt geht: “Torgefahr ist das eine, das Verteidigen gegen den Ball das andere.” Und in dieser Hinsicht hatte der SC-Coach nicht nur bei den Verteidigern und Mittelfeldspielern, sondern auch bei den Offensiven gegen RB einiges zu kritisieren. “Wir haben nicht sieben oder acht Spieler hintendrin, die alles wegverteidigen, im Moment schon gar nicht”, erklärte Streich, “und dann muss vorne Präsenz da sein, und die war nicht im nötigen Maß da gegen Leipzig.”

Deswegen wisse er noch nicht, “in welcher Konstellation wir spielen”. Es gehe auch um “die Mischung zwischen Größe, Athletik, Schnelligkeit und Zweikampf”. Beim 3:0-Sieg in Mönchengladbach habe sie gepasst, auch wenn sie personell mit Michael Gregoritsch zentral zwischen Lucas Höler und Merlin Röhl genau gleich besetzt war wie gegen Leipzig. Als Alternative kommen Roland Sallai und Vincenzo Grifo in Frage, der nach seiner Einwechslung gegen Leipzig als einziger getroffen hat, sowie Winter-Neuzugang Florent Muslija. Bei Sallai zögert der SC-Coach noch ein wenig mit einem Startelfmandat, weil der ungarische Nationalspieler gerade erst nach einer Muskelverletzung zurückgekehrt ist, und als “Sprintertyp” anfällig für eine weitere ist. Bei Röhl (Probleme mit der Bauchmuskulatur) ist noch unklar, ob er dabei sein kann.

Streich legt sich bei Doan fest

Festgelegt hat sich Streich bei Ritsu Doan. Der japanische Nationalspieler werde “auf dem Platz stehen”, sagte er und verband das mit dem ausdrücklichen Lob, dass der 25-Jährige Kritik angenommen habe. Schon vor seiner Abreise zur Asienmeisterschaft habe es ein Gespräch mit Doan gegeben, und seitdem zeige er “eine andere Präsenz, er hat sich verbessert und deswegen hat er auch immer gespielt”, erklärte der SC-Trainer. “Er hat eine ganz andere Körpersprache, dadurch ist auch offensiv wieder besser.” Das gelte auch für Sallai, fügte der SC-Coach hinzu.

Daniela Frahm