Guardiolas Hünen-Show

Dass Manchester City so dominant ist, hat längst nicht nur mit Technik und Taktik zu tun. Vor allem das Champions-League-Hinspiel gegen Real Madrid stellte Pep Guardiolas Wandlung unter Beweis.

Technisch und taktisch stark, körperlich aber auch: Pep Guardiolas Manchester City.

Technisch und taktisch stark, körperlich aber auch: Pep Guardiolas Manchester City.

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So genial Pep Guardiola auch sein mag, einen Vorwurf musste sich der Katalane nach seiner Zeit beim FC Barcelona lange zu Recht anhören: den des fatalen Überdenkens, des sogenannten “Vercoachens” in wichtigen Spielen. Etwa im Champions-League-Finale 2021 gegen den FC Chelsea, als er sich im defensiven Mittelfeld weder für Fernandinho noch für Rodri entschied, sondern seltsamerweise gegen beide. Das Endspiel ging verloren.

Durch den CL-Titel zwei Jahre später, zwölf Jahre nach seinem zuvor letzten mit Barca, hat Guardiola dieses leidige Kapitel inzwischen abgeschlossen. Wahrscheinlich hatte man dem Taktik-Genie in einigen Spielzeiten ohnehin etwas Unrecht getan – was übrigens auch für die Unterstellung gilt, der 53-Jährige sei nur Idealist, kein Pragmatiker. Selbst wenn er das vielleicht gerne über sich hören würde.

Doch die “Tiki-Taka”-Zeiten mit 1,70 Meter kleinen Spielern, deren spielerische Überlegenheit körperliche Voraussetzungen hinfällig machte, sind längst vorbei. Der Fußball hat sich seit 2009 weiterentwickelt. Das hat längst auch Guardiola eingesehen – und pragmatisch zu seinem Vorteil genutzt.

Keine Experimente ohne Haaland

Dass seine Mannschaft bei Manchester City, das er seit 2016 trainiert – so lange wie zuvor keinen anderen Verein -, immer physischer geworden ist, ist keine ganz neue Entwicklung. Doch beim spektakulären 3:3 im Champions-League-Viertelfinalhinspiel bei Real Madrid erlebte sie vielleicht ihren bisherigen Höhepunkt.

Guardiola, der schon eine Weile nicht selten mit vier gelernten Innenverteidigern spielt, hat sich durch die Verpflichtung von Mittelstürmer Erling Haaland nicht zum ersten Mal von einer falschen Neun verabschiedet. Der hünenhafte Norweger erlebt gerade nicht seine beste Phase im Verein, in wichtigen Spielen hat es sein Trainer aber noch nicht ohne ihn probiert. Doch eine “richtige” Neun ist wie gesagt nicht die Besonderheit.

Als sich City in Madrid trotz des frühen Führungstreffers schwertat, Reals Defensive zu knacken, war es kein Bernardo Silva oder Phil Foden, der als Erster den Weg durch die Halbräume fand und erfolgreich die Tiefe attackierte. Sondern der 1,88 Meter große John Stones.

Als der Titelverteidiger später zwischenzeitlich das Spiel drehte, zeichnete dafür mit einem traumhaften Fernschuss zum 2:2-Ausgleich zwar der eher kleine und schmächtige Foden verantwortlich. Doch das kann bei Guardiola mittlerweile auch Abwehrkante Josko Gvardiol, der ähnlich sehenswert das 3:2 besorgte – und am Wochenende schon wieder traf.

Einst dominierten Guardiolas Mannschaften das Mittelfeld, weil seine Spieler dort intelligenter und technisch überlegen waren. ManCity dominierte das Mittelfeld in Madrid – gegen eine Mannschaft mit Modellathleten wie Fede Valverde oder Jude Bellingham – über weite Strecken vor allem körperlich. Das dürfte im Bernabeu, wo man Guardiola-Teams noch ganz anders kennt, so manchen überrascht haben.

Wo früher ein vorpreschender Innenverteidiger wie Gerard Pique oder ein einrückender Außenverteidiger wie Dani Alves nach Ballverlusten hilflos hinterherhechelten oder einfach abprallten, holen inzwischen Kyle Walker oder Manuel Akanji schnelle Außenstürmer noch ein – und laufen sie robust ab.

Rodri, sein Hirn vor der Abwehr, ist bei Guardiolas Hünen-Show mit seinen 1,90 Metern zwar nicht länger als einst Sergio Busquets. Aber ungefähr doppelt so breit.

Abwehrsorgen vor dem Topspiel: Guardiola vermeldet zwei Ausfälle

Am Sonntagabend geht es bei Manchester City heiß her, wenn der FC Arsenal zu Gast ist. Pep Guardiola wird jedoch nicht aus dem Vollen schöpfen können.

Die Sorgen einer Länderspielpause: Stones und Walker (li.) verletzten sich im Nationaltrikot.

Die Sorgen einer Länderspielpause: Stones und Walker (li.) verletzten sich im Nationaltrikot.

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Das Titelrennen in der Premier League ist zwar außerordentlich eng – FC Arsenal und FC Liverpool haben je 64 Punkte, Titelverteidiger Manchester City folgt mit deren 63 -, die Mannschaft von Pep Guardiola liegt momentan aber trotzdem nur auf Rang drei. Jetzt steht allerdings das Topspiel an, vor dem der katalanische Star-Trainer jedoch zwei schmerzliche Ausfälle vermelden musste.

John Stones und Kyle Walker werden im Heimspiel gegen die Gunners am Sonntagabend (17.30 Uhr, LIVE! bei kicker) definitiv fehlen, erklärte Guardiola auf der Pressekonferenz am Freitagmittag. Das lässt die Abwehrreihe des Titelverteidigers geschwächt zurück. Die beiden Verteidiger haben sich im Länderspiel der englischen Nationalmannschaft gegen Brasilien (0:1) verletzt. Bei Stammtorhüter Ederson, der zuletzt ebenfalls verletzt ausfiel, sehe es immerhin “viel besser aus”, so Guardiola.

City kann die Ausfälle kompensieren

Bei Kevin De Bruyne vermochte der Triple-Sieger-Trainer noch nichts Genaueres zu verkünden, beim Belgier gelte es abzuwarten. Manuel Akanji indes bekam grünes Licht. Somit könnte Citys Defensivverbund immer noch in der Konstellation Nathan Aké, Ruben Dias, Josko Gvardiol und Akanji neben Stabilisator Rodri antreten. Der junge Allrounder Rico Lewis wäre eine weitere Option, wenn es möglicherweise um eine kleine Vorentscheidung in der englischen Meisterschaft geht – egal, in welche Richtung.

In der vergangenen Saison war Citys Heimspiel gegen Herausforderer Arsenal in der Schlussphase der Spielzeit zu einem entscheidenden Moment im Titelrennen geworden, als die Skyblues den Gunners eine Lehrstunde erteilten und deutlich mit 4:1 gewannen. Seither hat die Mannschaft von Guardiolas ehemaligem Assistenten Mikel Arteta allerdings sowohl im Community Shield als auch im Premier-League-Hinrunden-Duell gegen den großen Dominator gewonnen.