Ein außergewöhnlicher Sportler und Mensch verlässt die Bühne

Am Mittwoch gab Makoto Hasebe bekannt, dass er seine Karriere zum Ende der Saison beenden wird. Als erster Eintracht-Profi der Geschichte steht er noch mit 40 Jahren in der Bundesliga auf dem Feld. Frankfurt und die Bundesliga verlieren mit dem früheren Kapitän der japanischen Nationalelf nicht nur einen außergewöhnlichen Sportler, sondern auch eine beeindruckende Persönlichkeit. Eine Würdigung.

Die Suche nach dem Geheimnis ewiger Jugend ist so alt wie die Menschheit. Schon in der Antike soll Alexander der Große bei seinen Feldzügen Ausschau nach dem Jungbrunnen gehalten haben. Im Jahr 1513 durchstreifte der Legende nach der spanische Eroberer Juan Ponce de Leon monatelang Florida auf der Suche nach der Quelle ewiger Jugend. Und 1984, im Jahr, als Makoto Hasebe zur Welt kam, landete die deutsche Band Alphaville mit “Forever Young” einen bis heute gefeierten und bei Youtube fast 400 Millionen Mal aufgerufenen Hit. “Forever young, I wanna be forever young, do you really wanna live forever? Forever and ever?” Den Refrain hört man auf jeder längeren Autofahrt im Radio, keine 80er-Party kommt ohne diesen Song aus.

Bei Makoto ist es wie beim Wein: je älter, desto besser.

Hasebes Ex-Trainer Adi Hütter

Jahrelang musste man annehmen, dass der nimmermüde Hasebe über das sagenumwobene Geheimnis ewiger Jugend ein kleines bisschen mehr weiß als der Rest der Menschheit. Noch unter Ex-Trainer Adi Hütter (2018-21) schien er drei Spiele pro Woche mühelos wegzustecken. “Ich bin in der Form meines Lebens”, sagte er vor fünf Jahren. Damals war er immerhin schon 35 Jahre alt, viele haben in diesem Alter bereits ihre Karriere beendet oder pfeifen aus dem letzten Loch. Doch Ex-Trainer Niko Kovac hatte Hasebe einst vom Mittelfeld ins Zentrum der Dreierkette zurückgezogen, wo der Routinier als eine Art moderner Libero noch einmal richtig aufblühte.

Seine Tempodefizite machte er durch gutes Stellungsspiel und Antizipieren wett, im Aufbau bestach er mit Übersicht und präzisen Pässen. Im Dezember 2018 wählte ihn die kicker-Redaktion zum besten Innenverteidiger der Bundesliga, fast zeitgleich wurde er als “Asiens internationaler Fußballer des Jahres” ausgezeichnet. Seit 2015 ging dieser Titel sonst fast immer an den Südkoreaner Heung-Min Son.

Hasebe war eben längst nicht mehr nur “Big in Japan”, wie der zweite große Hit von Alphaville heißt. Hütter sagte mal in einem kicker-Interview: “Bei Makoto ist es wie beim Wein: je älter, desto besser. Er ist ein Schlüsselspieler in unserer Mannschaft.” Der damalige Sportvorstand Fredi Bobic adelte Hasebe als “Häuptling” und “Musterprofi”.

Wie kaum ein anderer Profi ordnet er beinahe alles dem Profifußball unter. 2017 erklärte er im kicker-Interview: “Ich habe in den letzten 15 Jahren schon immer mehr getan für meinen Körper, beispielsweise mit Kaltwasserbecken oder Kalt-warm-Duschen zu Hause.” Hinzu kommen tägliche Behandlungen, Bäder mit Badesalz zur Lockerung der Muskulatur, Dehnübungen und das gesunde japanische Essen, das ihm seine Frau kocht. Statt Fastfood stehen Fisch, Gemüse und Reis auf dem Tisch, Alkohol trinkt Hasebe fast nie. Seine Routine blieb immer gleich.

Viele Positionen, viele Titel – und ein später Traum

Auf dem Feld war Hasebe in seiner langen Karriere fast überall zu finden. Bei den Urawa Red Diamonds spielte er zu Karrierebeginn unter Trainer Guido Buchwald vorwiegend im offensiven Mittelfeld, in Deutschland schlüpfte er in die Rolle des Sechsers, des Achters oder des Außenverteidigers. “Ich habe schon auf allen Positionen gespielt, außer als Stürmer. Einmal stand ich sogar im Tor”, erzählte er mal, “ich bin ein flexibler Typ, das ist meine Stärke.”

Obwohl Hasebe nie bei einem europäischen Topklub unter Vertrag stand, passen seine Erfolge kaum auf eine herkömmliche Visitenkarte. Mit den Red Diamonds gewann er 2006 die Meisterschaft, holte zweimal den Pokal, die asiatische Champions League, den Ligapokal und den Supercup. In Wolfsburg kam 2009 die Deutsche Meisterschaft dazu, 2011 gewann er mit Japan die Asienmeisterschaft. Nach dem Gewinn des DFB-Pokals 2018 mit der Eintracht und seiner dritten WM-Teilnahme beendete der langjährige Kapitän Japans seine Karriere in der Nationalelf; 114-mal trug er die Farben seines Landes.

Vier Jahre später setzte er seiner Karriere mit dem Gewinn der Europa League die Krone auf. In der Hitzeschlacht von Sevilla stand er knapp eine Stunde auf dem Feld. Dadurch erfüllte sich auch sein jahrelang gehegter Traum, mit der Eintracht eines Tages in der Champions League zu spielen. Unvergessen bleibt, wie er in der Gruppenphase Harry Kane beim 0:0 gegen Tottenham abmeldete. “Es waren unglaublich viele Erfahrungen und schöne Momente”, rekapituliert Hasebe, denkt aber auch an andere Zeiten zurück: “Ich habe auch schwere Momente erlebt: den Abstieg mit Nürnberg oder schwere Verletzungen.”

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In den vergangenen Jahren zeichnete sich mehr und mehr ab, dass Hasebe doch kein Herrschaftswissen über den Jungbrunnen besitzt. Als sportliches wie menschliches Vorbild blieb er in der Mannschaft wichtig, die Einsätze wurden aber sukzessive weniger. Trainer Dino Toppmöller berücksichtigte ihn in dieser Saison kaum noch, was bei seiner Entscheidung auch eine Rolle spielte.

Das nun erklärte Karriereende nach zehn Jahren am Main ist der logische Schritt. “Ich habe seit vielen Jahren das Gefühl, dass dieser Moment irgendwann kommt, jetzt ist es so weit. Der Zeitpunkt ist richtig”, sagt Hasebe. Die Eintracht und die Bundesliga, in der Hasebe bisher 383-mal auf dem Feld stand, verlieren mit Hasebe nicht nur einen außergewöhnlichen Sportler, sondern auch eine beeindruckende Persönlichkeit. Insgesamt absolvierte er für seine drei Klubs in Deutschland Wolfsburg, Nürnberg und Frankfurt 476 Pflichtspiele.

Ein großes Herz

In Japan, wo er wegen des Hypes um seine Person nicht einfach so auf der Straße herumlaufen kann, ist Hasebe ein Volksheld. Nachdem er im Rahmen einer Pressekonferenz im Profi-Camp der Eintracht sein Karriereende bekanntgegeben hatte, vergossen einige der anwesenden japanischen Journalisten sogar Tränen. Eine tolle Geste: Nach der Saison wird Sportvorstand Markus Krösche mit Hasebe nach Tokio fliegen, um dort eine weitere Pressekonferenz zu seinem Karriereende zu geben. Es liegen bereits über 100 Anmeldungen vor – eine völlig andere Dimension als im Bundesliga-Alltag.

Der bescheiden und höflich auftretende zweifache Familienvater, der nur im Spiel zum Heißsporn werden kann, ist für viele auch als Mensch ein leuchtendes Vorbild. “Kokoro o totonoeru” heißt das Buch, das er 2011 veröffentlichte. Übersetzt bedeutet das in etwa “Die Ordnung der Seele”. Darin hat er 56 Gewohnheiten und Regeln aufgeschrieben, nach denen er sein Leben ausrichtet. Das Buch verkaufte sich 1,5 Millionen Mal. Den Erlös spendete er nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima für den Wiederaufbau der Region.

Sozial engagiert war Hasebe schon zuvor. Seit seinem 21. Lebensjahr spendet er für das Kinderhilfswerk Unicef. Auf Juniorenreisen hatte er in Ländern wie Indonesien gesehen, wie Kinder auf nicht asphaltierten Straßen bettelten. Das berührte ihn sehr. Seit vielen Jahren ist Hasebe Unicef-Botschafter, auch künftig will er sich engagieren.

“Ich möchte als Unicef-Botschafter von Japan unbedingt weitermachen und Kinder in schweren Situationen unterstützen”, sagt Hasebe. Unter anderem plant er dazu Reisen nach Asien und Afrika. Im Stadionmagazin der Eintracht erklärte er bereits 2015: “Es gibt so viele Kinder auf der Welt, die unsere Hilfe benötigen. Ich habe die Möglichkeiten, diesen Kindern zu helfen, und das möchte ich so gut es geht tun. Ich sehe es als meine Pflicht an, zu helfen.”

Privat interessiert sich Hasebe sehr für Geschichte und Philosophie. Las er als Kind gerne die Comics über den auch hierzulande bekannten Kinder-Fußballstar “Captain Tsubasa”, damals sein großes Vorbild, widmete er sich später Friedrich Nietzsche, Johann Wolfgang von Goethe oder dem Tagebuch der Anne Frank. Hasebe schaute sich den Checkpoint Charlie an und besuchte die Gedenkstätte Auschwitz. Die üblichen Verrücktheiten des Profifußballs, wie teure Modesünden, sind ihm fremd.

Dazu passt die Anekdote, die er 2016 im Bundesliga-Magazin erzählte. Als junger Profi lief er mal mit blonden Strähnchen in den Haaren herum. Nach einem Spiel traf er seinen alten Schulsportlehrer. “Er sagte nichts, aber die Art, wie Herr Hattori mich ansah, ließ mich glauben, dass er die Strähnchen missbilligte” – als Zeichen von Selbstverliebtheit. Er färbte sich die Haare nie wieder: “Ich hatte gelernt, dass mein Aussehen nicht mir alleine, sondern auch meiner Familie und allen an meiner Seite gehört. Denn sie repräsentiere ich mit meinem Verhalten.”

Eine zweite Karriere bei der Eintracht

Glück für die Eintracht: Seine Werte wird Hasebe in Zukunft an die Frankfurter Jugend weitergeben. Kleinere Details sind noch zu klären, doch schon jetzt steht fest, dass er als Trainer im Nachwuchsleistungszentrum der Eintracht arbeiten wird. Die B-Plus-Lizenz hat er bereits erworben, die weiteren Trainerscheine sollen folgen. “Ich möchte meine Trainerausbildung in Deutschland fortsetzen”, kündigt Hasebe an.

Nach über 16 Jahren in Deutschland – im Januar 2008 wechselte er nach Wolfsburg – fühlt er sich hierzulande längst pudelwohl: “Ich kann mir vorstellen, dass ich mit meiner Familie länger in Deutschland bleibe. Deutschland ist meine zweite Heimat geworden.” Hier wartet sogar noch eine zweite Spielerkarriere auf ihn: in der Traditionsmannschaft von Bundesliga-Rekordspieler Karl-Heinz Körbel.

Julian Franzke

Hasebe kündigt Karriereende an – und will bei der Eintracht bleiben

Der fünftälteste Feldspieler der Bundesligageschichte hört im Sommer auf. Makoto Hasebe von Eintracht Frankfurt hat am Mittwoch angekündigt, mit 40 Jahren zurückzutreten. Er soll der SGE aber erhalten bleiben.

Viel Applaus erwartet ihn am 18. Mai: Makoto Hasebe wird dann von den SGE-Fans verabschiedet.

Viel Applaus erwartet ihn am 18. Mai: Makoto Hasebe wird dann von den SGE-Fans verabschiedet.

IMAGO/Passion2Press

Als er 2014 im Alter von 30 Jahren zu Eintracht Frankfurt wechselte, konnte Makoto Hasebe nicht ahnen, dass die mit Abstand längste Station seiner Profikarriere vor ihm liegen sollte. Jetzt, knapp zehn Jahre später, geht sie zu Ende. Der 40 Jahre alte Japaner kündigte am Mittwoch an, im Sommer zurückzutreten.

“Nach 22 Jahren als Fußballprofi ist es nun an der Zeit für mich, meine aktive Karriere zu beenden. Ich habe mir diese Entscheidung gut überlegt und halte es nun für den richtigen Zeitpunkt”, sagte Hasebe. “Ich blicke mit Stolz darauf, was ich in all den Jahren erleben und erreichen konnte. Vor allem die Zeit bei Eintracht Frankfurt war von zahlreichen unvergesslichen Momenten geprägt, die ich nie vergessen werde. Ich habe mich hier von Anfang an wohlgefühlt und Frankfurt ist zu meiner zweiten Heimat geworden.”

Dort soll der 114-malige Nationalspieler auch über den Sommer hinaus bleiben. Die Hessen wollen ihm eine Trainerfunktion innerhalb des Klubs geben. “Ab Sommer freue ich mich auf meine neue Aufgabe bei der Eintracht”, sagt der Routinier.

Am Wochenende stand er wieder in der Startelf

Hasebe war seinerzeit als Mittelfeldspieler vom 1. FC Nürnberg an den Main gekommen und erarbeitete sich in Frankfurt primär als Innenverteidiger Kultstatus. 2018 gewann er mit der SGE den DFB-Pokal, 2022 folgte der Europa-League-Triumph. Zu seinen aktuell 383 Bundesligaspielen, davon die ersten 135 für den VfL Wolfsburg inklusive Deutscher Meisterschaft 2009, können nun maximal noch fünf hinzukommen.

Am vergangenen Wochenende stand er beim 0:3 in Stuttgart mal wieder in der Startelf – im Alter von 40 Jahren und 86 Tagen. Damit ist Hasebe der fünftälteste Feldspieler der Bundesliga-Geschichte. Den vierten Platz von Manfred Burgsmüller (40 Jahre, 141 Tage) wird Hasebe in der verbleibenden Zeit nicht mehr angreifen können.

“Makoto kann auf eine Karriere als Vorzeigeprofi zurückblicken, er war stets ein großes Vorbild für viele Spieler. Seine professionelle Einstellung und Lebensweise haben dafür gesorgt, dass er auch noch im Alter von 40 Jahren auf hohem Niveau Fußball spielen kann”, sagt Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche. “Seine Entscheidung, die aktive Karriere nach der Saison zu beenden, verdient Respekt. Makoto hat Großes für Eintracht Frankfurt geleistet. Wir freuen uns, dass er unserem Verein erhalten bleibt, um seine langjährige Erfahrung an unsere Nachwuchsspieler weiterzugeben.”

Am 18. Mai, dem letzten Spieltag zu Hause gegen RB Leipzig, darf sich Hasebe auf eine warme Verabschiedung gefasst machen.