Ohne Gelb-König Kohr punktet Mainz selten

Dominik Kohr kassierte beim 2:0 gegen den VfL Bochum als erster Bundesligaprofi in dieser Saison die zehnte Gelbe Karte und erneut gesperrt. Wie wertvoll er trotzdem für Mainz 05 ist, beweist ein Blick in die Statistik.

Auf dem Weg zur 10. Gelben Karte: Der Mainzer Dominik Kohr zupft am Trikot von Bochums Takuma Asano.

Auf dem Weg zur 10. Gelben Karte: Der Mainzer Dominik Kohr zupft am Trikot von Bochums Takuma Asano.

IMAGO/Sven Simon

Nach der Länderspielperiode fehlt Dominik Kohr beim Auswärtsspiel in Leipzig Mainz 05 in den vergangenen drei Jahren bereits zum achten Mal wegen einer Gelb- oder Gelb-Rot-Sperre. An der harten Spielweise des 30-Jährigen, der im Januar 2021 zu den Rheinhessen stieß und maßgeblichen Anteil am damaligen Klassenverbleib hat, scheiden sich die Geister. Fakt ist aber auch: Von sieben Partien ohne den gesperrten Kohr gewann Mainz keine einzige, holte gerade einmal drei Unentschieden. Die krasseste Niederlage war kürzlich das 1:8 beim FC Bayern, als auch Leandro Barreiro, der zweite Aggressive Leader im FSV-Trikot, fehlte.

Gegen Bochum (2:0) holte sich Kohr seine zehnte Gelbe-Karte allerdings nicht wegen eines überharten Einsteigens ab, sondern wegen eines Trikotzupfers nach noch nicht einmal 40 Sekunden. “Besser, er fehlt gegen Leipzig als gegen Darmstadt”, scherzte Sportdirektor Martin Schmidt, “aber dann macht man das in der letzten Minute und nicht in der ersten. Ich glaube, er hat das falsch verstanden.”

Gelbsperren: Kohr kann Jarolim bald einholen

Für Kohr ist es schon die zwölfte Gelbsperre seiner Bundesliga-Karriere. Seit Einführung der Regelung zur Saison 1993/94 fehlten aus diesem Grund nur David Jarolim (14) sowie Torsten Frings, Tomasz Hajto und Bernd Hollerbach (je 13) häufiger. Eines hat Kohr den vier anderen Gelbsündern allerdings voraus: Er kassierte schon sechs Platzverweise, die anderen nur jeweils vier. Nur sieben Spieler flogen in der Bundesliga noch häufiger vom Platz.

In den meisten seiner 271 Erstliga-Einsätzen hat sich die Mainzer Nummer 31 als beinharter Sechser einen Namen gemacht. In dieser Saison spielt er häufiger in der Innenverteidigung als im defensiven Mittelfeld. Von 21 Startelfeinsätzen absolvierte er inzwischen zwölf in der Mainzer Dreierkette.

Dominik ist ein Leader und hat ein großes Know-how.

BO HENRIKSEN

“Dominik ist wirklich wichtig für uns. Er ist einer der Leader und kann allen zeigen, um was es in den letzten Saisonspielen geht. Es wird ein harter Kampf. Er spielt seit vielen Jahren in der Bundesliga, kennt alles und hat ein großes Know-how. Er ist einer der Spieler, von denen ich erwarte, dass sie vorangehen und andere mitreißen”, betont Bo Henriksen, der seit fünf Partien auf dem FSV-Trainerstuhl sitzt.

Michael Ebert

Henriksens Appell: “Reden ist Bullshit – wir müssen es zeigen”

Gegen Bochum wartet das nächste Schlüsselspiel auf Mainz 05. Der Trainer vermittelt eine Aufbruchstimmung wie am ersten Tag – doch er weiß, dass der Glaube schon am Samstag an seine Grenzen zu stoßen droht.

Lebt die Spiele an der Seitenlinie mit: Der Mainzer Coach Bo Henriksen.

Lebt die Spiele an der Seitenlinie mit: Der Mainzer Coach Bo Henriksen.

IMAGO/imagebroker

Sich von Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen zu lassen – diese Kunst könnten sich die Profis von Mainz 05 ganz sicher bei ihrem Trainer abschauen. Wer Bo Henriksen am Donnerstag während der offiziellen Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen den VfL Bochum erlebte, wäre spontan wohl kaum auf die Idee gekommen, dass hier der Coach eines Tabellenvorletzten spricht, der noch dazu gerade eine 1:8-Klatsche beim FC Bayern hinter sich hat. So schwärmte Henriksen etwa von einem “unglaublich guten Gefühl”, das ihm die Trainingseinheiten in dieser Woche vermittelt hätten. Von der eigenen Vorfreude und der seiner Mannschaft, am Samstag in einem bereits jetzt nahezu ausverkauften Stadion “zu beweisen, dass wir zusammen hart arbeiten und etwas erreichen wollen”. Und von der “Energie”, die im Kader zu spüren sei, da nach diversen Verletzungen und Sperren nun mit Ausnahme von Nelson Weiper und Stefan Bell “mehr oder weniger alle” Spieler voll zur Verfügung stünden.

Ich sehe, dass jeder Spieler einen Unterschied machen will.

Bo Henriksen

Sollte zumindest ein Teil dieser zur Schau gestellten Überzeugung auch auf Schauspielerei beruht haben, dann hätte es sich der 49-jährige Däne zumindest nicht anmerken lassen. Henriksen wirkt Feuer und Flamme wie am ersten Tag, trotz bereits erlebter Enttäuschungen und der Erfahrung, dass sein Team von der Kraft des positiven Denkens nicht auf Anhieb vollständig durchdrungen worden ist. Der Leistungseinbruch nach dem Gegentor gegen Gladbach (1:1) spricht für eine weiterhin vorhandene mentale Labilität.

In München, sagt auch Henriksen, habe man grundsätzlich “nicht die Haltung gezeigt, die wir wollten”. Über Vergangenes zu räsonieren, auch darüber, wie viele Punkte womöglich unglücklich verpasst wurden, sei aber “in unserer Situation Bullshit”, verdeutlicht der Fußballlehrer. “Es geht nicht ums Reden, wir müssen es zeigen. Die Saison ist, was wir jetzt daraus machen. Und ich sehe, dass jeder Spieler dabeisein und einen Unterschied machen will.”

Anfangs konnte ich nicht spüren, dass jeder in jeder Einheit sein Bestes gibt.

Bo Henriksen

Durchaus etwas überraschend verriet Henriksen in diesem Kontext, mit der Trainingsqualität unmittelbar nach seiner Ankunft im Februar nicht 100-prozentig zufrieden gewesen zu sein. “Anfangs konnte ich nicht spüren, dass jeder in wirklich jeder einzelnen Einheit sein Bestes gibt. In dieser Woche spüre ich das aber absolut. Und wie man trainiert, so spielt man.” Allerdings: Gerade die Leistungen in den ersten beiden Partien unter Henriksens Regie gegen Augsburg (1:0) und in Leverkusen (1:2) waren ja überzeugend. Die Logik, dass einer starken Trainingswoche zwangsläufig eine Top-Leistung am Samstag folgt, ist also nicht komplett zwingend. Doch bleibt gar nichts anderes übrig als mit aller Konsequenz genau darauf zu setzen. Dass folgerichtig im Fall eines weiteren Rückschlags gegen Bochum die Glaubenskrise droht, scheint Henriksen dabei völlig klar: “Wir wissen, wie wichtig dieses Spiel ist für unser Gefühl und unser Selbstvertrauen.”

Kohrs Bedeutung als “echter Leader, der Zeichen setzen kann”

Eingestellt ist Henriksen gegen den Tabellenfünfzehnten auf einen “harten Kampf”, gar auf “eine Schlacht um jeden Zentimeter Rasen”. Weshalb Mainz “nicht nur nette Jungs” brauche, von denen “wir viele in der Mannschaft haben”, sondern eben “auch Krieger”. Bei dieser Beschreibung denken nicht nur Außenstehende vorrangig an Dominik Kohr, sondern offenbar auch der Coach. “Dominik ist ein echter Leader und ein Spieler, der Zeichen setzen kann”, erklärt Henriksen. “Genau darüber habe ich mit ihm gesprochen. Ich will sehen, dass er vorangeht und andere pusht.” Bisher lief Kohr, der nach seiner Gelb-Rot-Sperre zurück ist, unter Henriksen als Innenverteidiger auf. Auf welcher Position er am Samstag mit dem Routinier plant, ließ Henriksen bewusst offen. Angesichts der von ihm geforderten Wirkung läge Kohrs Comeback auf der Sechser-Position im Zentrum des Geschehens indes nahe.

Thiemo Müller